Essen/Rio de Janeiro. . Tor oder nicht Tor? - im Fußball manchmal eine kniffelige Frage. Beim Confed-Cup in Brasilien testet die Fifa nun ein technisches System, das die Tore anzeigt. Die Technik kommt von der deutschen Firma GoalControl aus Würselen.

Seit Wochen herrscht Hektik vor dem Maracana-Stadion in Rio des Janeiro. Ein Indianerstamm protestiert. Der Umbau der Arena, in der im kommenden Jahr das Finale der Fußball-WM über die Bühne geht, zerstört den Grund und Boden der Ureinwohner. Die Sonne Brasiliens heizt die Atmosphäre zusätzlich auf. Dazu dröhnen Bagger, Männer in Shorts schleppen Plastiksitze in den Bauch des Stadions. In dem Gewühl fallen die Männer aus Deutschland kaum auf, die ihre Geräte und Kisten auf die Tribüne bringen.

Es sind die Männer, die den Fußball revolutionieren wollen.

Sie kommen aus Würselen. Eine Kleinstadt bei Aachen, 38 000 Einwohner. Der frühere Bundestrainer Jupp Derwall wurde in Würselen geboren. Sonst? Keine Fußball-Hochburg, doch in einer Sackgasse des Gewerbegebiets liegt das Gebäude der Firma GoalControl. Schmucklos, am Eingang nur ein winziges Firmenschild.

Doch nun sind die Männer von GoalControl in Brasilien. Der Fußball-Weltverband Fifa hat ihre Technik gekauft. GoalControl hat ein System entwickelt, das mit der Hilfe von Kameras eindeutig feststellen kann: War der Ball hinter der Torlinie oder nicht? Beim Confed-Cup, der heute in sechs WM-Stadien als Test für die Weltmeisterschaft 2014 beginnt, sind die Techniker aus Würselen vor Ort. Funktioniert ihr System, sind sie wohl auch bei der WM dabei.

Signal auf die Schiedsrichter-Uhr

Dirk Broichhausen ist der Chef der Firma. Er hat anstrengende Wochen hinter sich. Sein Onkel hat als Profi bei Alemannia Aachen gespielt, er selbst ist Fan der Alemannia. In der zweiten Liga hat Broichhausen die ein oder andere seltsame Torentscheidung erlebt. Irgendwann reichte es ihm. Seine ursprüngliche Firma entwickelt Systeme, mit denen man zum Beispiel Fehler in der Produktion von Bremsschläuchen für Autos aufspüren kann. Doch was interessieren den Mann mit den hochgefönten Haaren und der modischen Brille die Bremsschläuche, wenn Alemannia ein Tor frisst, das gar keins ist? Broichhausen fragte seinen Chefentwickler: „Können wir auch Fußball? Können unsere Systeme einen Ball im Tor erkennen?“

Der Ingenieur überlegte, nahm einen Schluck Kaffee, überlegte noch einmal und antwortete: „Es sollte funktionieren.“ Die Firma baute ein Tor auf der Wiese hinter ihrem Gebäude auf und testete. Und parallel zur Geschichte in Würselen drehte sich die Fußball-Welt natürlich weiter: Bei der WM 2010 in Südafrika hatte der Engländer Frank Lampard gegen Deutschland ein Tor geschossen. Der Ball war für alle klar hinter der Linie, nur der Schiedsrichter urteilte: Kein Tor! Eine Lachnummer auf der ganzen Welt. Fifa-Boss Joseph Blatter kam zum Schluss: „Eine neue Torlinientechnik ist eine Notwendigkeit.“

Daraufhin bewarben sich vier Firmen mit vier Systemen bei der Fifa (siehe Info-Box). Eine dieser Bewerbungen hatte Broichhausen abgeschickt, dann fuhr er in den Skiurlaub. Daran erinnert er sich so: „Ich stand in voller Montur im Schnee, mein Handy klingelte, die Fifa war dran und sagte: Sie haben den Auftrag.“

Also sind die Männer aus Würselen nun in Brasilien. In den sechs Stadien, in denen der Confed-Cup ausgetragen wird, haben sie jeweils vierzehn Spezialkameras installiert, die den Ball in jeder Sekunde verfolgen. Landet er im Tor, erhält der Schiedsrichter ein Signal auf seine Armbanduhr.

Worüber Broichhausen nicht spricht: Geld. Da auch die Fifa keine Summen nennt, bleibt dieser Teil der Geschichte zunächst offen. Bevor diese Dinge auf den Tisch kommen, soll erst der Test absolviert werden. Broichhausen will am Samstag in der Hauptstadt Brasilia beim Eröffnungsspiel des Confed-Cups zwischen Brasilien und Japan auf der Tribüne sitzen. Hat er ein gutes Gefühl? Der Firmenchef in ihm sagt. „Schon!“ Der Fußballer in ihm meint: „Schau’n mer mal!“