Der BVB geht als krasser Außenseiter in das Champions League-Finale gegen den Branchenriesen FC Bayern München. Allein: Der Fußball meint es oft gut mit den Underdogs. Was also taugt die Münchner Vormachtstellung in den 90 Minuten von Wembley? Ein Kommentar von WAZ.de-Redakteur David Nienhaus.
Was ist das Schönste am Fußball? Wir erleben es gerade. In jedem Moment. Fußball verbindet, Fußball euphorisiert und Fußball lässt uns für eine Weile aus dem Alltag fliehen. 100.000 Fans fahren und fliegen nach London, um das Champions League-Finale zwischen Borussia Dortmund und Bayern München zu verfolgen – einige würden sogar laufen oder schwimmen für dieses Partie. Für ihre Mannschaft. Und das, obwohl der Sieger des Henkelpotts schon feststeht, glaubt man den Experten und den Wettanbietern. Der neue Deutsche Meister aus dem Süden der Republik geht als haushoher Favorit in die mindestens 90 Minuten von Wembley. Der BVB? Krasser Außenseiter.
Man kann das den Koryphäen nicht einmal übel nehmen. 25 Punkte trennen den Rekordmeister vom nationalen Champion der vergangenen beiden Jahre. 25 Punkte sind ein absurder Abstand. Doch sagen diese 25 Punkte etwas über die Qualität des Endspiels um Europas Krone aus? Nein. In der Königsklasse marschierten sowohl die Bayern, als auch – und vor allem – Borussia Dortmund mit souveränen, überragenden Schritten nach England. Am BVB scheiterten der holländische Meister Ajax Amsterdam, die steinreichen Oligarchenmannschaften von Manchester City, Schachtar Donezk und FC Málaga – wenn auch nur knapp –, und letztlich auch das weiße Ballett, die Übermannschaft von Real Madrid. Zweimal. Auf dem Weg ins Finale blieb das Team von Star-Trainer Jürgen Klopp bis zum letzten Spiel vor dem Finale ungeschlagen, verlor im eigenen Stadion keine einzige Partie.
Sicherlich war das einer der Hauptgründe, warum die Bundesliga für den BVB nur an zweiter Stelle kam. Und trotzdem wurden die Westfalen souveräner Vizemeister. Der Weg von Borussia Dortmund in den vergangenen fünf Jahren: ein Weg auf Messers Schneide des finanziellen Bankrotts bis ins Finale der Champions League. Ohne Geldmittel aus öligen Händen, mit Nachhaltigkeit und Konzept.
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Zählt Bayerns nationale Vormachtstellung auch in Wembley?
Dass der BVB den Bayern national den Rang trotz der Demütigungen in den zurückliegenden Jahren nicht abgelaufen hat, zeigen die Geschichten um Mario Götze und Robert Lewandowski. Wenn München ruft, und das künftig mit Guardiola auf Spanisch, dann kommen die Stars. Aber zählt dieser Status auch für den Samstagabend in Wembley? Nein. Mario Götze wird verletzungsbedingt nicht spielen und Lewandowski, der wohl beste Stürmer Europas, trägt das schwarzgelbe Leibchen. In diesem will der ehrgeizige Angreifer den Pokal in den Londoner Himmel strecken, egal, was danach kommt. Dieser Lewandowski dürfte auch den Buchmachern Kopfzerbrechen bereiten. Wo wir wieder bei der Frage nach dem Favoriten wären.
Die Unberechenbarkeit, dass in einem Spiel, im Finale, jeder jeden schlagen kann, dass auch der haushohe Favorit mal strauchelt und der Underdog am Ende auf den Treppchen steht, ist Teil der Faszination Sport im Allgemeinen und der des Fußballs im Speziellen. Eigentlich braucht man nur die Geschichtsbücher aufschlagen und findet ad hoc hunderte von Beispielen. An eins erinnerte BVB-Coach Klopp vor diesem Finale: 1954 – Das Wunder von Bern. Wenn am Samstag die Champions-League-Hymne erklingt und der BVB die Bayern schlägt, ist dies aber kein Wunder. Sondern einfach nur die Geschichte des Fußballs.