Essen. . Frank Wormuth leitet beim DFB die Trainer-Ausbildung. Wir haben mit ihm vor dem Champions-League-Finale über Borussia Dortmund, Bayern München, die Rollen von Jürgen Klopp und Jupp Heynckes - und seine Erwartungen an das Endspiel ´zwischen den beiden deutschen Klubs gesprochen.

Frank Wormuth leitet die Fußballlehrer-Ausbildung an der Hennes-Weisweiler-Akademie des DFB. Mit unserer Zeitung sprach der 52-Jährige vor dem Champions-League-Endspiel (Samstag, 20.45 Uhr, live in unserem Ticker) über die Chancen der Finalisten, taktische Finessen und die Rolle der Trainer.

Herr Wormuth, das letzte große Finale zwischen beiden Klubs hat der BVB im DFB-Pokal 5:2 gewonnen. Gibt es wieder ein klares Ergebnis?

Frank Wormuth: Ich denke nicht. Ich schmeiße jetzt eine Münze. Bei Kopf gewinnt Bayern. Heißt: Es gibt keinen eindeutigen Favoriten. Beide können das Spiel gewinnen. Das ist so, sonst wären sie nicht im Finale. Mein Gefühl sagt mir, dass wir ein interessantes Spiel mit hohem Tempo, aber ohne viele Tore sehen. Beide haben gute Defensiven, arbeiten beeindruckend gegen den Ball. Es wird ein anderes Spiel als im Pokal-Finale. Die Mannschaften haben sich weiterentwickelt. Die Atmosphäre wird zudem eine andere sein. Ein Champions-League-Sieg ist das höchste der Gefühle, er verändert dein Leben. Das wissen die Spieler. Und trotzdem ist es auch ein normales Spiel.

Ein ganz normales Spiel?

Wormuth: Das Drumherum ist anders, das Vorher, das Nachher. Und: Gegen Barcelona oder Real bist du nervös, das ist eine neue Situation. Aber Bayern und Dortmund? Die kennen sich, die spielen ständig gegen- oder miteinander. Da bist du nicht nervös. Nach dem Anpfiff ist es ein ganz normales Spiel Dortmund gegen Bayern – in einem besonderen Rahmen.

Sie sprachen von einer Weiterentwicklung bei beiden Teams. Was ist beim BVB passiert?

Wormuth: Die Dortmunder können ihr Tempo verändern. Letztes Jahr in der Champions League haben sie Power, Power und Power gemacht und die Spiele verloren. Dieses Jahr nehmen sie sich mal zurück, wechseln zwischen Tempo und Pause und haben so Kraft für die entscheidenden Läufe. Dazu haben sich einzelne Spieler, wie Ilkay Gündogan, weiterentwickelt.

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Und die Bayern?

Wormuth: Na ja, die hatten bisher ihre brutale Dominanz. Und wenn der Ball erobert war, wurde es manchmal gemütlich. Sie haben gewartet, dass sich Schnittstellen öffnen und wie im Handball den Ball laufen lassen. Jetzt haben sich auf hohem Niveau mit Javier Martinez und Dante verstärkt. Dazu agieren sie variabler, wechseln die Positionen, schalten schnell auf die Offensive um. Franck Ribery und Arjen Robben arbeiten zudem nach hinten, ohne ihr Offensivqualität zu verlieren. Sie ordnen sich ins Kollektiv ein. Es ist beeindruckend, wie Jupp Heynckes aus diesem Starensemble ein Team gemacht hat. Die nächste Steigerung, das Jagen vorne, wird ihnen Pep Guardiola beibringen.

Bayern macht also die Sachen, für die lange der BVB gelobt wurde.

Wormuth: Ich kenne die Diskussion. Aber es ist logisch, dass man seine Hausaufgaben machen muss. Jürgen Klopp hat diesen High-Speed-Fußball in die Bundesliga geholt. Der wird in England schon länger gespielt. Man muss Gutes übertragen, neue Impulse suchen und um des Erfolges willen abkupfern. Das ist ein normaler Prozess. Wenn alle so spielen wie du, musst du etwas Neues machen, um erfolgreich zu sein. Dann entwickeln sich wieder Gegentrends. Ein Beispiel: Jetzt gibt es die falsche, die variable Neun. Dagegen helfen kleinere Innenverteidiger. Also kommen irgendwann große Stürmer.

Haben sich die Bayern weiter entwickelt als der BVB?

Wormuth: Das sehe ich nicht so. In der Vergangenheit hat der BVB die größeren Schritte gemacht und Bayern überholt. Jetzt sind sie wieder auf Augenhöhe. Sie sagen jetzt, der Wormuth spinnt, die Bayern haben in der Liga 25 Punkte Vorsprung. Es ist eine Momentaufnahme. Die Bayern sind in der Breite besser besetzt. Aber es können nur elf spielen. Da ist der BVB genauso stark.

Jürgen Klopp sagt, er habe einen Plan, wie man die Bayern schlagen kann. Wie sieht der aus?

Wormuth: Es gibt auf diesem Niveau keinen automatischen Fußball. Aber es gibt Situationen auf dem Platz, in denen es eine höhere Wahrscheinlichkeit gibt, dass ein Tor fällt. Wir versuchen den Gegner durch unser Verhalten in diese Situationen zu bringen und Momente zu kreieren, die diese Wahrscheinlichkeit erhöhen. Hört sich kompliziert an.

Stimmt.

Wormuth: Freiburg hat vor zwei Jahren gegen die Bayern immer lange Diagonalbälle an die Außenlinie gespielt. Dort hat der große Mohamadou Idrissou die Kopfballduelle gegen den kleinen Philipp Lahm gewonnen und den Ball auf die nachrückenden Außenverteidiger abgelegt. Die waren frei, weil Arjen Robben und Franck Ribery vorne standen. Gesehen, beobachtet und umgesetzt. Das Spiel hat Freiburg trotzdem verloren.

Frank Wormuth über die Trainer Jürgen Klopp und Jupp Heynckes 

Kommt Individualisten wie eben Ribery oder Robben in solchen Spielen besondere Bedeutung zu?

Wormuth: Am Ende entscheidet immer ein Spieler ein Spiel. Und bei einigen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie es sind. Die Genialität von Marco Reus bei einem Tor, aber auch Sven Bender, der den entscheidenden Pass verhindert. Im Fußball ist es doch immer so: Du kannst planen und analysieren wie ein Weltmeister, aber du brauchst eine Balance zwischen Struktur und Kreativität. Denn am Ende kommt ein Einzelkönner und haut dir den Ball in den Winkel.

Wie wichtig sind die Trainer in einem Finale wie am Samstag?

Wormuth: Die Spieler sind seit Wochen auf dieses Spiel fokussiert. Es ist brutal viel Energie in ihnen. Sie sind vollgepumpt mit Adrenalin. Ich bin gespannt, wie diese Energie rauskommt. Als Aggression? Als Lauffreudigkeit? Du ziehst ein Gummi auf und lässt ihn los. Da sind Jürgen Klopp und Jupp Heynckes besonders gefordert. Aber sie wissen, wie sie mit ihren Pappenheimern umgehen müssen.

Wie sieht die letzte Kabinen-Ansprache vor dem Anpfiff aus?

Wormuth: Jupp Heynckes wird nicht aufstehen und eine Rede halten wie Jürgen Klopp. Er hat seine ruhige Art, wird authentisch bleiben. Bei Klopp gibt es keine Ansprache nach dem Schema F. Er wird eine Motivationsrede vom Feinsten halten. Er findet, das weiß ich von Spielern, ohne Vorbereitung die richtigen Worte. Die Jungs hören zu, sind aber in Gedanken schon im Spiel. Am Ende wird er fragen, muss ich noch mehr sagen? Und die Spieler antworten: Nee, Trainer, lass uns raus.