Essen. Der mit der deutschen Wirtschaftelite besetzte Bayern-Aufsichtsrat kann durchaus entscheiden, Uli Hoeneß trotz seiner Steueraffäre im Amt zu belassen. Auf einem anderen Blatt steht, was der Anstand und die Reue gebieten: sich nicht auf jede Tribüne zu setzen und feiern zu lassen. Ein Kommentar.
Vertauschen wir einen Moment lang die Rollen und stellen uns vor: Dortmunds Chef Hans-Joachim Watzke erstattet Selbstanzeige wegen jahrelanger Steuerhinterziehung in Millionenhöhe, lässt aber keines seiner Ämter ruhen. Wochen später tagt der Aufsichtsrat des BVB und beschließt, Watzke im Amt des Geschäftsführers zu belassen. Begründung: Es liege im Interesse des BVB. Ob Uli Hoeneß dazu geschwiegen hätte?
Es mag durchaus sein, dass in Deutschland die öffentliche Debatte über gefallene Helden oft Züge einer Vorverurteilung annimmt. Und noch ist nicht klar, ob Uli Hoeneß jemals vor Gericht erscheinen muss. Aber die Fakten bleiben knackhart: Der Präsident und Aufsichtsratsvorsitzende des erfolgreichsten und weltweit bekanntesten und anerkanntesten deutschen Fußballvereins hat kein Kavaliersdelikt begangen, für ihn gilt auch keine Unschuldsvermutung.
Gegen Uli Hoeneß ermittelt die Staatsanwaltschaft, und es kann als gesichert gelten, dass sich der Schöpfer der Bayern nicht etwa aus Reue angezeigt hat, sondern weil er einen Hinweis erhalten hatte, dass man ihm auf der Spur war. Und nach wie vor bestehen Zweifel an der Wirksamkeit dieser Selbstanzeige.
Weil Uli Hoeneß nicht – womöglich muss man sagen: noch nicht – verurteilt ist, kann der mit der Elite der deutschen Wirtschaft besetzte Bayern-Aufsichtsrat durchaus entscheiden, Hoeneß im Amt zu belassen. Auf einem ganz anderen Blatt steht, was der Anstand und die Reue gebieten: sich nicht auf jede Tribüne zu setzen und feiern zu lassen, als sei nichts passiert. Und freiwillig alle Ämter ruhen zu lassen, mindestens das.
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Aber am 25. Mai ist Champions-League-Finale, das Spiel aller Spiele. Das liegt im Interesse des FC Bayern. Man wird den Verdacht leider nicht los: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.