München. Bayern München will die Champions League gewinnen, den DFB-Pokal natürlich ebenso. Trainer Jupp Heynckes weiß, dass ein Ausscheiden des deutschen Meisters im Halbfinale gegen den VfL Wolfsburg kaum zu verschmerzen wäre. Nicht in dieser bemerkenswerten Saison der Rekorde.

Jupp Heynckes befindet sich längst wieder in jenem Rhythmus, der sein Leben bestimmt. Das Halbfinale im DFB-Pokal gegen den VfL Wolfsburg steht für den FC Bayern am Dienstagabend an. Der gerade gewonnene Meistertitel, am 28. Spieltag, so früh, wie das zuvor keiner Mannschaft in 50 Jahren Bundesliga gelungen war? Der Einzug ins Halbfinale der Champions League gegen den FC Barcelona? Schön. Aber zum Genießen bleibt keine Zeit.

Weiter geht es also im Takt seiner ewigen Agenda: Training, Reisen, Pressekonferenzen. Dazwischen Mannschaftsbesprechungen, das Gefüge austarieren, Aufstellungen austüfteln, den mächtigen Einflüsterern im Verein Gehör schenken. Bei Spielen situativ reagieren, davor und danach Interviews geben. Training, Reisen, Pressekonferenzen. Immer wieder von vorne. Und all das fast immer unter Beobachtung der strengen Öffentlichkeit. Sein Job sei „der zweithärteste nach Bundeskanzler“, hat der Trainer einmal gesagt. Es war wohl als Scherz gemeint. Vielleicht aber auch nicht.

Heynckes ist seit 1965 im Geschäft

Das, was im Sport als Druck bezeichnet wird, ist sein ständiger Begleiter. Und beim FC Bayern ist der Druck besonders groß. Er gehört zu seinem Alltag wie das Aufstehen und das Zubettgehen. Man kann das als unerträgliche Last empfinden, als Hamsterrad. Jupp Heynckes aber ist seit 1965 im Geschäft. Er versucht sich immer weiterzuentwickeln, noch akribischer und besser zu arbeiten.

Am Ende dieser Saison wird er 1011 Bundesligapartien als Spieler und Trainer erlebt haben. Hinzu kommen 302 in Spanien und Portugal, 39 für die Nationalelf und bisher 158 im Europacup. Und das sind längst nicht alle. Der Takt des Fußballs bestimmt den Rhythmus seines Lebens. Gewonnen hat er dabei alle großen Titel: WM, EM, Champions League, Uefa-Cup, Meister, Pokalsieger, manche von ihnen mehrfach. Aber wer er ist, gibt er nur selten genau zu erkennen. Er hat gelernt, zu funktionieren. Dem ordnet er alles unter.

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Die Bayern wollen die Champions League gewinnen, den DFB-Pokal natürlich ebenso. Das ist Heynckes’ Auftrag, und er will ihn unbedingt erfüllen. Er weiß, dass ein Ausscheiden gegen Wolfsburg (20.30 Uhr/live bei ARD, Sky und bei uns im Ticker) kaum zu verschmerzen wäre. Nicht in dieser bemerkenswerten Saison der Rekorde. Und schon gar nicht nach dem Vorjahr, in dem die Bayern dreimal Zweiter wurden und im Finale der Champions League gegen Chelsea ihre Niederlage als geradezu episches Scheitern ertragen mussten. Heynckes stand damals auf dem Rasen, er rang nach Fassung, versuchte aber, seine Spieler aufzurichten. Er stellte sich auch in dieser bitteren Stunde.

Er könne auf eine „sehr erfolgreiche Zeit zurückblicken, aber auch auf manche Enttäuschungen, sportliche und menschliche“, sagt Heynckes. Es ist etwas hängen geblieben aus diesem Winter, als die Bayern hinter seinem Rücken den Erfolgstrainer Pep Guardiola verpflichteten und zugleich bekannt gaben, dass Heynckes in Rente gehen werde. Der hätte gerne noch weitergemacht und vor allem seinen Abschied selbst verkündet.

Nun, am Ende seiner Laufbahn, könnte Heynckes sein sportliches Werk krönen. Gewinnen die Bayern nach der Meisterschaft auch die Champions League und den Pokal, könnte ihm doch noch zuteil werden, worauf er immer gewartet hat: die echte Wertschätzung jener, denen er immer gedient hat. So sieht er das jedenfalls.

Bauernhof am Niederrhein

Ob er im Sommer auf seinen Bauernhof am Niederrhein zurückkehren und die Zeit mit seiner Frau Iris und dem Obstgarten genießen wird? Heynckes will seine Pläne nach dem Saisonende verkünden. Der Umgang mit den Spielern halte ihn jung, hat er zuletzt gesagt. Man ahnt, dass ihm der Abschied vom Rhythmus seines Lebens sehr schwer fallen wird.