Holzwickede. Der ehemalige Dortmunder Martin Kree ist ein Musterbeispiel dafür, wie ein erfolgreicher Profi nach dem Fußball eine neue Karriere starten kann. Und doch lässt ihn sein Sport bis heute nicht los. Er ist inzwischen Aufsichtsratsmitglied beim VfL Bochum.
Martin Kree steht am Empfang seines Unternehmens in Holzwickede. Er erzählt gerade von früher, von den beiden Deutschen Meistertiteln mit Borussia Dortmund, vom Gewinn der Champions League, und wenn er das tut, dann ist Martin Kree vollkommen zurückgekehrt in eine andere Welt. In sein früheres Leben. Irgendwann fällt sein Blick zufällig auf ein Fitzelchen Papier auf dem Boden. Kree ist zurück im Hier und Jetzt, er bückt sich, hebt es auf und lächelt entschuldigend: „Ein Chef, der selber nicht darauf achtet, kann das auch nicht von seinen Mitarbeitern verlangen.“
Martin Kree, ein Mann zwischen den Welten. Einer, der es im Leben nach der Profi-Laufbahn geschafft hat. Aber auch einer, den der Fußball nicht loslässt.
Die linke Klebe
Dabei haben der Martin Kree von früher und der von heute äußerlich wenig miteinander zu tun. Martin Kree, das war der Lockenkopf mit der linken Klebe. Als zu Beginn der neunziger Jahre mal die Schusskraft aller Bundesligaprofis gemessen wurde, da hieß der Sieger Kree. Fast 130 Sachen hatte der Ball drauf. Gebracht hat ihm das nichts, Kree war danach der Mann mit der linken Klebe. Oder der Abräumer, der dazwischen gehauen hat.
Kree hat als Profi in Bochum begonnen, der Opel-Stadt. Das passte. Vielleicht war Kree als Fußballer ein bisschen wie ein Opel in einer Welt voller Porsches: nie spektakulär, nie umschwärmt. Keiner, der einen träumen ließ. Aber eben immer da, zuverlässig, solide und wohl auch unterschätzt. 401 Bundesliga-Spiele hat er absolviert, erst für Bochum, dann für Leverkusen, am Ende für den BVB. Er ist mit den Borussen 94/95 Deutscher Meister geworden, was schwer war, wie sich Kree erinnert. Und 95/96 gleich noch einmal, was Kree höher bewertet: „Erfolg im Sport zu haben, ist eine Sache, ihn zu bestätigen, eine noch ganz andere.“ Einmal hat es noch geklappt, 96/97 gewann er mit dem BVB die Champions League. Er musste sich gegen Jürgen Kohler behaupten, gegen Matthias Sammer, gegen Julio Cesar. Alles Porsche-Klasse. Abgefahren sind die Trainer dann doch immer wieder auf den Opel.
Martin Kree mag dieses Image bis heute als unfair empfinden. Harter Hund? Er führt dann für sich ins Feld, dass er nie eine Rote Karte gesehen hat. Aber alles in allem hat er seinen Frieden mit seiner durchaus eindrucksvollen Laufbahn gemacht, er sagt dann: „Ich hatte 14 tolle Jahre als Profi.“ Im Rückblick mildern sich auch die wenigen dunklen Momente ab. Da wäre der Frühsommer 1996, der BVB lag am vorletzten Spieltag mit vier Punkten Vorsprung auf Platz eins vor den Bayern und konnte bei 1860 München Meister werden. Abschlusstraining in der Sportschule Oberhaching, Kree erinnert sich an Hunderte von Schulkindern, die den Platz säumten. Als er einen Schlag in der Wade verspürt, glaubt er erst, ein Schüler habe einen Stein nach ihm geworfen. Dann stellt sich heraus: eine Verletzung, das so genannte Compartment-Syndrom. Sechs Monate Pause, eine Meisterfeier in Gips, seine schwerste Verletzung in seinen 15 Jahren als Profi.
Moment. Fünfzehn? War nicht die Rede von 14 tollen Jahren? Martin Kree holt tief Luft, dann erzählt er von seinem Ende als Profi. Das hat viel, nein, offenbar alles mit Michael Skibbe zu tun. Skibbe war damals Trainer in Dortmund geworden und Kree sagt, Skibbe habe ihn abserviert, relativ gnadenlos und ohne stichhaltige Begründung: „Ich war nur noch Luft.“ Wenn man eine lange Geschichte von zwei Männern, die nicht miteinander können, zusammen fassen will, dann mit Krees Antwort auf die Frage, ob er denn heute mit Skibbe ein Bier trinken würde: „Niemals.“ Was nicht nur daran liegt, dass Kree keinen Alkohol trinkt. „Man muss im Leben nicht alles zurecht rücken. Manche Dinge können bleiben, wie sie sind“, sagt Kree.
Er hat dann 1998 aufgehört, nicht zuletzt wegen Skibbe, und nicht zuletzt so abrupt wegen Skibbe. Bis heute ist die Verbitterung spürbar, wenn er sagt, dass er damals jede Lust am Fußball verloren habe.
Andererseits wirkt Martin Kree wie ein Mensch, der ungerne etwas dem Zufall überlässt. Mit 30, lange vor Skibbe, stellte er sich die für jeden Profi entscheidende Frage: Was kommt später? Kree drängte sich die Antwort auf, weil er in seiner Freizeit gerne am Computer saß. Später stieß er über ein, zwei Umwege auf die Firma „NH Computer Learning Centers“. NH steht für New Horizons, neue Horizonte. Was ja passte. Heute leitet Martin Kree die Niederlassung in Holzwickede bei Dortmund, sein Team und er schulen ganze Firmen am PC, und in den Knochen hat Kree jetzt nicht nur seine 15 Jahre als Profi, sondern auch zehn Jahre Aufbauarbeit hinter dem Schreibtisch. „Ich habe gelernt“, lächelt Kree, „dass der Begriff Selbstständig von selbst und ständig kommt“.
Kree ist gut im Geschäft, er sieht aus wie ein Musterbeispiel für einen Profi, der es ins Leben danach geschafft hat, in dieses so ganz andere Leben als das in der Schein- und Schauwelt Bundesliga.
Und doch: Auch Kree lässt der Fußball nicht so einfach los, nicht einmal nach den vielen Jahren. Er ist inzwischen Aufsichtsratsmitglied beim VfL Bochum und er wirkt so, als sei er offen für andere Dinge. Irgendwann mal irgendwo ein Job als Manager? Vieles ist möglich.
Nur eines nicht: dass der Trainer dann Michael Skibbe heißt.