Essen. . Die Großen der Branche bedienen sich in den Spielerkadern der kleineren Klubs nach Belieben - so wie die Bayern und der BVB: Bestes Beispiel aus der vergangenen Saison ist Borussia Mönchengladbach und die Abgänge von Dante, Reus und Neustädter.

Es klang aus dem Mund von Martin Kind wie eine Drohung. „Wir werden, wenn es sein muss, in Verhandlungen gehen. Da haben wir sehr konkrete Überlegungen und werden kein pflegeleichter Gesprächspartner sein.“ Soll bloß keiner hinterher sagen, Hannover 96 habe Mame Diouf verramscht. Denn was der starke Mann der Niedersachsen im Fernsehen aussprach, war nichts anderes als die Eröffnung eines Pokerspiels mit Borussia Dortmund. Seitdem Torjäger Diouf mehrfach modifizierte Vertragsangebote platzen ließ und gleichzeitig BVB-Trainer Jürgen Klopp Interesse an dem Senegalesen signalisierte, scheint der Lauf der Dinge vorgezeichnet. Irgendwann im Sommer werden sich die Parteien auf eine Ablöse einigen. Und die Niedersachsen wären ihren besten Spieler los.

So verzweifelt wie Kind hat sich auch Heribert Bruchhagen angehört, als dem Vorstandsvorsitzenden von Eintracht Frankfurt auf einem Kongress in Düsseldorf der Kragen platzte. „Selbst unsere Zuschauer-, Marketing- und Fernseherlöse reichen nicht aus, um einen Spieler wie Sebastian Rode zu halten.“ Seitdem sich der U-21-Nationalspieler hartnäckig weigert, seinen 2014 auslaufenden Vertrag zu verlängert, deutet alles auf einen ablösefreien Wechsel hin. Die Branche geht vom FC Bayern als neuen Klub aus.

Als Beispiel dient Borussia Mönchengladbach

Hannover und Frankfurt verkörpern die gehobene Mittelklasse. Vereine mit Ambitionen. Und doch sind sie chancenlos, wenn die Elite lockt. Die Konzentration der Kräfte verstärkt sich. Speziell für diesen Sommer zeichnen sich eine Reihe weiterer Transfers ab. Das Szenario bei Borussia Mönchengladbach, das nach der vergangenen Saison seinen Vorstoß auf Rang vier mit den Abgängen von Dante (Bayern), Marco Reus (Dortmund) und Roman Neustädter (Schalke) bezahlte, gilt als exemplarisch. Wer die Branchenführer mit einem billigen Kader ärgert, bezahlt dafür teuer. Die Großen fressen die Kleinen – und das immer früher.

„Interessante Spieler gibt es nicht wie Sand am Meer“, betont Michael Reschke. Der für die Kaderplanung zuständige Manager bei Bayer Leverkusen hat eine „gestiegene Aggressivität“ im Werben festgestellt und glaubt, dass sich „diese Entwicklung altersmäßig noch nach unten verlagert, zu unseren 17-, 18-jährigen Nachwuchsspielern.“ Das Schneeballsystem brächten die Giganten in Gang. Dortmund hat angekündigt, seinen Kader anzureichern; Bayern will unter Ägide von Matthias Sammer vermehrt deutsche Juwelen jagen. Die Verpflichtung von Jan Kirchhoff (Mainz) ist erst der Anfang. „Wir haben bei deutschen Talente ganz andere Mitbewerber als früher“, bestätigt Reschke.

Ausstiegsklauseln und festgeschriebene Ablösen befeuern diese Entwicklung, zu der findige Berater beitragen wie das öffentliche Brennglas, unter dem jedes Bundesligaspiel mittlerweile seziert wird. „Einen Spieler im Verborgenen zu entwickeln, geht heutzutage gar nicht mehr“, beteuert Martin Bader. Die Erfahrung des Nürnberger Sportvorstands: „Wenn einer der Top five einen unserer Spieler will, haben wir im Grunde keine Handhabe.“ Bader mag das aber gar nicht beklagen, „denn wir holen dafür wieder Spieler aus der zweiten Liga oder dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum.“ Am Valznerweiher sind Ilkay Gündogan oder Philipp Wollscheid zu Profis gereift, die heute in Dortmund und Leverkusen Stammplätze besetzen. Bader: „Wenn der Spieler in meinem Büro erscheint und erklärt, er könne woanders das Dreifache verdienen und international spielen, soll ich mich diesen Argumenten verschließen?“

"Bundesliga entwickelt sich zum Nonplusultra"

„Die Besten spielen bei den Besten.“ Diese Meinung vertritt Volker Struth von der Berateragentur Sports total. Dass sich die Hochbegabten früher ins Sammelbecken eines Topklubs begeben, das könne schon sein, glaubt der Berater. Das Ausland spiele dabei gar nicht mehr die Rolle des Treibers, erläutert Struth, der selbst seinen bekanntesten Profis (Mario Götze, Marco Reus, Toni Kroos, Benedikt Höwedes, Kevin Trapp) zuruft: „Zurzeit ist es nicht ratsam, die Bundesliga zu verlassen. Die Bundesliga entwickelt sich zum Nonplusultra; eine Anstellung bei Bayern, Dortmund oder Schalke ist begehrter als ein Vertrag in England.“

Hierzulande droht die Solidargemeinschaft aber auseinander zu driften, davor warnt Bruchhagen, der sich übrigens selbst bei finanzschwächeren Vereinen bedient und Jan Rosenthal für die neue Saison vom SC Freiburg verpflichtet hat – ablösefrei. Topverdiener vom Spitzenreiter FC Bayern kassieren per annum annähernd das, was der Tabellenletzte Greuther Fürth an den gesamten Kader (zwölf Millionen) ausschüttet. Wegen diesen Entwicklungen, sagt der Nürnberger Bader, „schaue ich zwar nicht angstvoll in die Zukunft, nur muss allen bewusst sein, dass ein Traditionsverein wie der 1. FC Nürnberg wohl nie mehr eine zehnte Deutsche Meisterschaft feiert.“