Dublin/Berlin. BVB-Star Marco Reus hat sich in der Nationalmannschaft gegen den etablierten Arsenal-London-Profi Lukas Podolski durchgesetzt, dabei musste er lange auf sein DFB-Debüt warten. Die schwedischen Verteidiger indes kennt Reus vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen die Skandinavier am Dienstagabend noch nicht.

Es ist nicht so einfach, sich diesen schlitzohrigen, hochbegabten, instinktiven Fußballer Marco Reus ins Gedächtnis zu rufen, vor Augen zu führen, wenn man ihn in Berlin so sitzen sieht. Wie er da ein wenig den Kopf einzuziehen scheint, auf dem schmucklosen Podium, eingezwängt zwischen Manuel Neuer und Philipp Lahm, ein wenig zurückgelehnt, so als spiele er nur eine unbedeutende Nebenrolle in diesem grell ausgeleuchteten Gebilde namens Nationalmannschaft.

In solchen Momenten könnte man glauben, der kleine Marco möchte aus dem Smaland abgeholt werden; doch dann wird einem wieder bewusst, dass dieser 23-Jährige gerade im Zentrum des deutschen Fußball-Interesses steht, dass dieser kleine Irrwisch am Dienstag in Berlin gegen Schweden (20.45 Uhr, live im Ticker auf DerWesten.de) die DFB-Elf vielleicht wieder zum Sieg führen wird, dann denkt man daran, wie der Dortmunder Junge die Nationalelf in Dublin nach einer zähen halben Stunde befreit hatte durch seine zwei Treffer, bei denen die Gelehrten darüber streiten, welcher denn wohl der technisch anspruchsvollere gewesen sei.

Gegen Reus wirkt Podolski wie einer, dessen Zeit abgelaufen ist

Die junge DFB-Karriere des Marco Reus hat schon einige Pointen bereit gehalten. Vier Mal musste Reus aus Verletzungsgründen eine DFB-Einladung absagen, sein Debüt verschieben; und nun, nach zwölf Einsätzen im Nationaldress, drängt sich die Frage auf, wie man so lange auf ihn verzichten konnte. Es ist ja nicht so, dass der 23-Jährige ein Freund des großen Wortes ist, eher scheu wirkt er; doch auf dem Platz hat er keinerlei Manschetten. Wer ihn fragt, ob er jetzt nicht den Anspruch auf einen Stammplatz erheben müsse, erhält eine typische, zurückhaltende, im Zweifel lieber ins Nichtssagende tendierende Antwort: „Ich kann nur beeinflussen, wie ich trainiere und spiele. Wenn ich meine Leistung bringe, muss am Ende der Bundestrainer entscheiden.“

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Und diesem Joachim Löw ist beileibe nicht entgangen, dass Reus gerade seiner langjährigen Korsettstange Lukas Podolski den Rang abgelaufen hat als allererste Wahl auf dem linken Flügel. 104 Länderspiele stehen in Podolskis Vita, der Arsenal-Profi ist gerade einmal 27 Jahre alt; doch gegen Reus wirkt der frühere Kölner wie ein Altvorderer, dessen Zeit abgelaufen zu sein scheint.

Ein Eindruck, den das triste EM-Halbfinale gegen Italien abrundete, als Podolski völlig neben der Spur war – und Marco Reus 45 Minuten auf der Bank schmorte, obwohl er im Viertelfinale gegen Griechenland noch überragt hatte. Mit diesem Spiel endete Löws Vasallentreue für „Prinz Poldi“ und Reus stellte die althergebrachte Hierarchie auf dieser Position auf den Kopf. „Er hat seinen Konkurrenten etwas voraus: Die Schnelligkeit, das Selbstvertrauen“, erkannte Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff nach dem Kantersieg in Dublin, bei dem der Dortmunder wie schon gegen Österreich den Türöffner gespielt hatte.

Klose nennt Reus' Schusstechnik "brutal"

Es ist zudem sein Intuition, die Fähigkeit, Situationen zu antizipieren, und natürlich seine herausragende Schusstechnik. „Brutal“ nannte Miroslav Klose hinterher die Fähigkeiten seines Teamkollegen auf diesem Gebiet und fügte locker an: „Wenn ich so einen Schuss hätte, würde ich ein paar Tore mehr machen.“

Die darf zur allgemeinen Zufriedenheit nun Marco Reus schießen, dessen gewachsenes Selbstbewusstsein sich auch direkt nach dem 6:1 gegen überforderte Iren zeigte: „Wir haben ein Zeichen gesetzt, an die Welt, an Europa, an unsere Qualifikationsgruppe.“ Das war mit keinem Jota großspurig gemeint, sondern bestenfalls Ausdruck der eigene Selbstsicherheit. Und wer weiß, in welch’ brillanter Form er sich befindet, der muss sich auch nicht voreilig Gedanken darüber machen, wer oder was ihn am Dienstag im Olympiastadion erwartet.

Ob er denn einen schwedischen Verteidiger kenne, wurde Reus am Sonntag gefragt. Der 23-Jährige wippte ein wenig mit dem Oberkörper, zögerte und sagte dann: „Olof Mellberg. Oder ist der schon zurückgetreten?“ Ein guter Tipp; der 35-Jährige ist tatsächlich im Juni zurückgetreten. Reus wird die gegnerische Abwehrreihe mit den Herren Lustig, Granqvist sowie Jonas und Martin Olsson noch früh genug kennen lernen. Die Schweden dürften von dem Treffen weniger begeistert sein.