Frankfurt. Joachim Löw steckt genau in der Rolle, die ihm erstens angetragen wurde und die er sich zweitens bei völliger Fehleinschätzung seiner ganz sicher trotz der zerplatzten Titeltraumblase starken Position für sich selbst ausgedacht hat: Verteidiger der eigenen Sache. Ein Kommentar.
Wochenlang hat sich Joachim Löw nicht geäußert. Analysiert hat der Bundestrainer stattdessen. Analysiert und analysiert und analysiert. Herausgekommen ist dabei ein gedankliches Duckmäuschen. Nicht auf der Ebene des Sportlichen. Was bei der Europameisterschaft zum Aus im Halbfinale führte (neben ein paar offensichtlichen individuellen Fehlern und einer offensichtlich nicht aufgegangenen Taktik), wird der Fachmann sicher in beeindruckender Manier zu Papier gebracht haben.
Daran, seine eigene Position zu bestimmen, ist Löw dagegen fulminant gescheitert. Und weil das so ist, wird er in Zukunft einen nicht ganz leichten Rucksack mit sich herumschleppen müssen.
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Dass es nach der Niederlage gegen die Italiener Kritik an der Nationalmannschaft und an ihrem Trainer gab, steht dabei außer Frage. Es gab sachliche Kritik, und es gab überzogene Kritik. Die Kritik, die überzogen war, wurde von Löw am Montag allerdings in den Fokus gerückt, und zwar so vehement, dass alles andere plötzlich nichtig erschien.
Nur: warum? Ist die Lektüre des Bundestrainers vielleicht beschränkt auf Boulevardprodukte, die naturgemäß mit dem Degen und nicht mit dem Florett fechten? Hat er einfach kein Händchen dafür, die veröffentliche Boulevardmeinung von dem zu trennen, was eine breitere Öffentlichkeit an Haltungen einnimmt?
Glaubt er tatsächlich, dass ein einziges nicht gewonnenes Spiel dafür sorgen kann, dass seine jahrelange wunderbare Aufbauarbeit, dass sein kunstvolles Gestalten einer neuen Nationalmannschaft sofort in Vergessenheit gerät?
Rückenstärkung durch DFB-Präsident Niersbach
Wie auch immer. Mit dem duckmäuserischen Zugeständnis an den Deutschen Fußball-Bund, sich von Team-Sprecher Harald Stenger zu trennen, ist gewährleistet, dass der Boulevard erheblich direkteren Zugriff auf seine Crew und seine Auserwählten erhält. Mit der Rückenstärkung durch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ist demonstrativ übermittelt worden, dass er Rückenstärkung braucht.
Und nun steckt Löw genau in der Rolle, die ihm erstens angetragen wurde und die er sich zweitens bei völliger Fehleinschätzung seiner ganz sicher trotz der zerplatzten Titeltraumblase starken Position für sich selbst ausgedacht hat: Verteidiger der eigenen Sache. Und: Verteidiger des eigenen Pöstchens.
Empfinden wird der Bundestrainer das alles selbst natürlich (noch) nicht so. Sollte das Jux-Spiel zur Kassenfüllung des DFB gegen die überaus prächtig besetzten Argentinier jedoch mit einer deutlichen Niederlage enden, dürfte die Interpretation des Geschehens mit einem Gedanken im Hinterkopf vorgenommen werden, der die Stimmung wirklich mächtig trüben kann. Mit dem Gedanken nämlich, dass Löw doch auch vorher schon angeschlagen war…