Hamburg. Lukas Podolski, Claudio Pizarro, Paolo Guerrero, Kassenrollenwurf beim FC St. Pauli, Prügelfans von Dynamo Dresden – es war viel los zuletzt. „Jede Woche gibt es zig Verstöße“, sagt Beisitzer Christian Hinzpeter, „interessant wird das Sportgericht nur, wenn Dinge schieflaufen. Sonst arbeitet der Apparat völlig geräuschlos.“

Am Wochenende, da könne es schon mal Streit um den Fernseher geben. Fußball, immer nur Fußball – wo doch auch der „Weltspiegel“ läuft, ein Krimi oder die „Lindenstraße“. Aber so ist es halt in einem Haushalt, in dem ein Mitglied der Sportgerichtsbarkeit des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wohnt. „Man weiß ja, dass dies zum Job dazugehört“, sagt Robert Weise, der hauptamtliche Abteilungsleiter Sportgerichtsbarkeit beim DFB, „ich schaue am Wochenende alles.“

Sie sind ja schwer in die Schlagzeilen gekommen in den letzten Wochen, die DFB-Richter. „Eine exzellente Service-Einheit für die Deutsche Fußball-Liga" sei das Sportgericht, meint Beisitzer Christian Hinzpeter. Die obersten drei Spielklassen werden bundesweit bearbeitet. Dass die DFL sich der Gerichtsbarkeit des DFB unterwirft, ist vertraglich geregelt und wird von allen Seiten befürwortet.

Podolski, Pizarro, Guerrero und die anderen

Lukas Podolski, Claudio Pizarro, Paolo Guerrero, Kassenrollenwurf beim FC St. Pauli, Prügelfans von Dynamo Dresden – es war viel los zuletzt. Am Montag verzichtete der Kontrollausschuss auf Sanktionen gegen den Leverkusener Simon Rolfes nach dessen Ellenbogen-Einsatz gegen den Schalker Julian Draxler. „Jede Woche gibt es zig Verstöße“, sagt allerdings Hinzpeter, „interessant wird das Sportgericht nur, wenn Dinge schieflaufen. Sonst arbeitet der Apparat völlig geräuschlos.“

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Weise sichtet vor und arbeitet zu, der Kontrollausschussvorsitzende - also Ankläger - Anton Nachreiner beantragt nach Eingang des Spielberichts eine Strafe, der Sportgerichts-Vorsitzende Hans E. Lorenz unterschreibt als Einzelrichter nach Zustimmung des Täters oder Vereins. Strafe rechtskräftig, in der Regel schon am Montag. So geht das 2001 eingeführte Schnellverfahren. Reine Routine, 90 Prozent aller Fälle werden so entschieden.

Alle Spiele stehen im Internet bereit

Dabei hilft, dass praktisch alle denkbaren Verstöße bereits katalogisiert sind. „Du Blinder“ zum Schiedsrichter, ein Spiel Sperre, „Idiot“ zwei, „Arschloch“ drei. Tätlichkeit mindestens sechs Spiele, nach Provokation weniger, mit besonderer Rücksichtslosigkeit mehr. Rohes Spiel, Unsportlichkeit, alles erfasst. „Ich schaue Fußballspiele anders als normale Fans“, sagt Weise.

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Schon am Wochenende stellt er auch die Spiele und wichtige Szenen der Partien ins Internet, wo die Mitglieder der Sportgerichtsbarkeit einen eigenen, gesperrten Bereich haben. Fouls aus allen denkbaren Winkeln und Perspektiven gibt es da zu sehen. Knochen knacken in Super-Slomo, dazu Watsch´n und Ellbogen-Checks.

„Das Beweismittel Fernsehen ist für uns sehr wichtig“, sagt Weise, „es dient vor allem der Entlastung der Spieler.“ Lukas Podolski wäre nach dem Augenschein des Schiedsrichters vor Jahren noch zu Unrecht langfristig aus dem Verkehr gezogen worden. Andererseits greift man natürlich ein, wenn ein Schiedsrichter eine schwere Verfehlung übersehen hat.

Sportgericht zieht sich den Ärger frustrierter Fans zu

Die große Gerichtsklaviatur wird nur gespielt, wenn die Beschuldigten erst dem Antrag des Kontrollausschusses und auch dem anschließenden Urteil des Vorsitzenden Richters Lorenz nicht zustimmen. Dann gibt es Verhandlung in Frankfurt. Richter, zwei Beisitzer, Zeugen-Einvernahme, Anwalt, Ankläger, Schiedsrichter, Vereinsvertreter. Da kommen schnell bis zu zwölf Personen zusammen. „Es kann dabei nach den Beweisen auch eine höhere Strafe herauskommen als zunächst verhängt“, sagt Weise, „wir signalisieren dann schon mal: Überlegen Sie sich den Einspruch gut.“

Dass sich das Sportgericht den Ärger frustrierter Fans zuzieht, ist den Beteiligten klar. „Fußball ist Emotion“, sagt Hinzpeter, der wegen seiner Hamburger Herkunft nie bei Verfahren gegen HSV- oder St. Pauli-Spieler beisitzt. Persönliche Angriffe aber sind ihm unbekannt: „Das geht nur in Richtung ´Scheiß-DFB`“, sagt der Jurist, „es ist aber ganz wichtig zu wissen, dass wir unabhängig und nicht weisungsgebunden sind.“