Dortmund. Vor dem Revierderby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 am Samstag haben wir uns mit den Managern Michael Zorc (BVB) und Horst Heldt (S04) getroffen. Zorc und Heldt reden im Interview über die Bedeutung des Zusammenpralls zweier Fußballwelten.

Heimspiel für Borussia Dortmund gegen Schalke 04 (Samstag, 15.30 Uhr, live im DerWesten-Ticker), Heimspiel auch für Michael Zorc beim Treffen der Manager: Horst Heldt erklärte sich dazu bereit, zum gemeinsamen Interview ins Dortmunder Stadion zu kommen – unter einer Bedingung: Dass es auch vor dem Rückspiel ein Doppelinterview geben müsse, dann mit Michael Zorc als Gast in der Schalker Arena. „Abgemacht“, sagt Zorc. Wir werden die beiden beim Wort nehmen.

Herr Zorc, wie erklären Sie einem neuen BVB-Spieler wie Ivan Perisic aus Kroatien die Bedeutung des Revierderbys?

Michael Zorc: Dafür haben wir ja Kevin Großkreutz in unserer Mannschaft. Aber jeder Fußballer kennt so ein Derby auch aus seinem Heimatland.

Herr Heldt, im Gegensatz zu Michael Zorc waren Sie als Aktiver nie in einem Ruhrgebietsderby dabei. An welche Derbys erinnern Sie sich?

Horst Heldt: Ich hatte auch das Glück, bei Traditionsvereinen zu spielen und einige Derbys zu erleben. Köln gegen Gladbach oder Köln gegen Leverkusen, 1860 gegen Bayern, später Stuttgart gegen Karlsruhe. Aber natürlich ist mir bewusst, dass Schalke gegen Dortmund das Derby schlechthin ist.

Was ist denn so anders hier?

Heldt: Im Ruhrgebiet hat man das Gefühl, dass es nichts Größeres gibt als dieses Spiel. Wenn wir mit München 60 gegen die Bayern gespielt haben, haben wir uns zwar oft wacker geschlagen, aber wir sind ihnen nie auf Augenhöhe begegnet. Das ist hier anders. Schalke gegen Dortmund ist in Deutschland die Mutter aller Derbys.

Ist es tatsächlich eine Partie auf Augenhöhe?

Heldt: Na ja, wir spielen beim Deutschen Meister, der den Titel eindrucksvoll gewonnen und dabei alles richtig gemacht hat. Wir wollen natürlich etwas mitnehmen, aber die Favoritenrolle hat Dortmund.

Nehmen Sie die an, Herr Zorc?

Zorc: Ach, das ist doch ein reiner Medienbegriff, für die Fußballer bedeutet der doch nichts. Man braucht nur auf die Tabelle zu schauen, dann sieht man, dass sich die beiden Teams gleichauf befinden. Aber: Wir haben ein Heimspiel.

Im Gegensatz zu Schalke hat der BVB eine Europapokalwoche hinter sich. Vor- oder Nachteil?

Heldt: Die Profis spielen doch lieber, als zu trainieren. Der BVB kann in seinem Kader ohnehin ohne Qualitätsverlust variieren.

Zorc: Wir haben natürlich eine Woche voller Highlights, erst München, dann Arsenal, jetzt Schalke. Da bleibt der Adrenalinspiegel sieben Tage lang auf dem Höchstpegel. Aber wir beklagen uns darüber nicht, das sind Festspiele.

Das Verhältnis der beiden Vereine wirkt in letzter Zeit entspannt.

Zorc: Es gibt die üblichen Sticheleien, sportliche Konkurrenz muss ja sein, davon leben die Vereine ja seit Jahrzehnten hervorragend. Aber die Rivalität darf nie Grenzen überschreiten. Wenn es in Richtung Gewalt geht, gibt es auf beiden Seiten keine Toleranz. Wir gehen vernünftig miteinander um, Horst und ich sowieso. Wir haben uns ja schon als Gegenspieler gekannt und schätzen uns.

Was kann denn der eine über den anderen als Spieler sagen?

Zorc: Horst war ja ein Zehner aus der Feinkostabteilung, ich musste immer alles in die Waagschale werfen.

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Heldt: Aber Michael hat im Gegensatz zu mir in Sachen Titel einiges vorzuweisen, er ist mehrmals Deutscher Meister geworden und hat eine erstklassige Karriere gemacht. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich mal gegen Dortmund verloren hätte…

Zorc: Dann wirf mal einen Blick in die Statistik!

Nach Ihrer Karriere sind Sie Manager geworden und nicht Trainer wie viele Ihrer früheren Mitspieler. Warum?

Zorc: Ich hatte immer schon großes Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen, das ergab sich dann zwangsläufig.

Heldt: Bei mir war klar, dass mein Vertrag in Stuttgart nicht verlängert würde, aber der VfB wollte, dass ich im Verein bleibe. Es gab mehrere Ideen, dann wurde ich gefragt, ob ich nicht die sportliche Leitung übernehmen wollte. Ich bin froh, diesen Job gewählt zu haben.

Ihre Terminkalender sind gut gefüllt, außerdem wird die Arbeit eines Managers öffentlich und intern penibel bewertet. Wie gehen Sie mit Stress um?

Zorc: Wir sind daran gewöhnt, dass die Gedanken permanent um den Klub und die Mannschaft kreisen. Das ist für das private Umfeld nicht immer einfach. Trotzdem muss man sich Freiräume für die Familie schaffen, damit du nicht total gefangen bist. Man muss sich nicht auch noch jedes Länderspiel Deutschland gegen Liechtenstein anschauen.

Heldt: Das ist zwar Jammern auf hohem Niveau, aber wir brauchen diese Freiräume dringend, weil wir einen verantwortungsvollen Job haben.

Zorc: Das öffentliche Interesse daran ist so groß wie bei einem DAX-Konzern. Vielleicht sogar größer, weil es emotionaler zugeht.

Heldt: Ich glaube nicht, dass bei einem DAX-Konzern jeden Tag etwas über einzelne Personen zu lesen ist. Bei uns erfolgt die Abrechnung nach Fehlern immer öffentlich.

Zorc und Heldt über Druck im Hochleistungssport 

Können Sie als Verantwortliche ein Spiel wie das Derby eigentlich überhaupt genießen?

Heldt: Das ist nicht möglich. Vielleicht, wenn man mal 4:0 führt und nur noch fünf Minuten zu spielen sind. Denn das Ergebnis hat Auswirkungen auf die nächsten Tage, und das ist immer im Kopf.

Zorc: Du denkst immer schon einen Schritt weiter. Aber gegen Nürnberg konnte der Horst ja schon ziemlich früh genießen.

Heldt: Auch dann geht es noch um Kleinigkeiten. Du führst 3:0 und denkst: Papadopoulos sollte besser keine Gelbe Karte bekommen, sonst wäre er für das Derby gesperrt. Unter Strom stehst du ständig.

Druck im Hochleistungssport ist ein großes Thema geworden.

Zorc: Aber Fußball ist nichts anderes als ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es gibt bei uns lediglich größere Ausschläge nach oben oder unten, weil zum Beispiel mehr Geld im Spiel ist.

Heldt: Das sehe ich genauso. Aber ich betone, dass ich meinen Job frei gewählt habe. Und ich habe gelernt, mit den Begleitumständen umzugehen.

Zorc: Wir beschäftigen uns mit Fußball – eigentlich haben wir einen Traumjob!