Frankfurt/Main. . Krisengipfel in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB): DFB-Präsident Theo Zwanziger hat die Bundesliga-Schiedsrichter im Zuge der Steueraffäre zum Rapport bestellt. Am Freitag sollen unter anderem die 21 verdächtigten Referees in Frankfurt/Main Stellung zu den Vorwürfen beziehen.
„Leider ist es ja so, dass Steuerdelikte in Deutschland nicht gerade wenig verbreitet sind. Und da Schiedsrichter auch nur Menschen sind, kann man natürlich nicht ausschließen, dass es auch unter ihnen schwarze Schafe gibt“, sagte Zwanziger dem kicker und fügte hinzu: „Auch Schiedsrichter sind keine Heiligen.“
Schiedsrichter haben Honorare nicht ordnungsgemäß versteuert
Das deutsche Schiedsrichterwesen ist seit Montag vor einer Woche in heller Aufregung. Zahlreiche Steuerfahnder waren nach Hinweisen des ehemaligen Schiedsrichter-Obmanns Manfred Amerell sowohl in der DFB-Zentrale in Frankfurt als auch bei prominenten deutschen Referees vorstellig geworden und hatten Akten gesichtet. Hintergrund der Maßnahmen war nach Angaben der Steuerbeamten „der Verdacht, dass in der Vergangenheit Schiedsrichter ihre Einnahmen möglicherweise nicht ordnungsgemäß versteuert haben“. Zwanziger will nun am Freitag persönlich von den Unparteiischen wissen, welche Verfehlungen sie sich geleistet haben.
So sollen DFB-Referees Honorare des Weltverbandes FIFA für Einsätze bei internationalen Begegnungen auf Konten in der Schweiz und Liechtenstein erhalten und nicht ordnungsgemäß versteuert haben. Zudem sollen auch Fahrtkosten doppelt abgerechnet worden sein. Offenbar stehen Beträge im sechsstelligen Bereich auf dem Prüfstand - erheblich mehr als bislang angenommen. Einige Schiedsrichter sollen bereits geständig sein.
Michael Kempter gehört zu den Verdächtigen
Zu den Verdächtigen in der Affäre gehört auch Amerells einstiger Zögling Michael Kempter. Der ehemalige FIFA-Schiedsrichter, dessen enge Beziehung zu Amerell und anschließenden Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen seinen früheren Ziehvater im Vorjahr für mehrere Gerichtsverfahren gesorgt hatten, soll in der Saison 2009/10 einen Gesamtbetrag im fünfstelligen Bereich nicht korrekt abgeführt haben.
Im Jahr 2009 war Kempter bereits wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 23.750 Euro verurteilt worden. Im Falle einer neuerlichen Verurteilung könnte Kempter möglicherweise sogar eine Haftstrafe drohen. Zudem soll unter anderem auch FIFA-Referee Felix Brych von den Untersuchungen der Steuerfahnder betroffen sein.
Zwanziger schließt Suspendierungen nicht aus
Zwanziger schloss in diesem Zusammenhang nicht aus, dass der eine oder andere Schiedsrichter nach dem Ende der Ermittlungen keine Spiele in der Bundesliga mehr pfeifen kann. „Zunächst einmal ist ein Steuervergehen ein privates Delikt. Nichtsdestotrotz werden die Gremien des DFB, so sich der Verdacht in dem einen oder anderen Fall bestätigt, genauestens prüfen und bewerten, ob ein solches Vergehen die Eignung zum Spitzenschiedsrichter negativ beeinflusst“, sagte Zwanziger. Schutzsperren wie im Wettskandal soll es jedoch nicht geben.
Grundsätzlich unterstrich der DFB-Präsident, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I alleine auf dem zerrütteten Verhältnis zwischen Amerell und Kempter beruhen. „Aus meiner Wahrnehmung führt Herr Amerell einen Rachefeldzug gegen Herrn Kempter und versucht viele zu belasten, von denen er meint, dass sie ihm Unrecht getan haben“, sagte Zwanziger.
Machtkampf auf Präsidiumsebene
Und dieser Rachefeldzug sorgt derzeit sogar für einen Machtkampf auf der DFB-Präsidiumsebene. Vize-Präsident Rainer Koch hatte sich nach seiner Wahl zum Chef des Süddeutschen Fußball-Verbandes mit Amerell getroffen, um eigenen Angaben zufolge die Wogen zwischen dem ehemaligen Schiedsrichter-Obmann und dem Verband zu glätten. Allerdings informierte Koch seinen Präsidenten Zwanziger nicht und sorgte damit in der DFB-Chefetage für reichlich Missstimmung. In den kommenden Tagen soll es nun eine Aussprache zwischen Koch und Zwanziger geben, an der auch „Mediator“ und Professor Wolfgang Huber teilnehmen soll.
Nicht nur wegen der Querelen auf Präsidiumsebene fürchtet derzeit auch DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach einen Schaden für den Ruf des DFB. „Mit dem Bild, dass der DFB derzeit öffentlich abgibt, bin ich natürlich nicht zufrieden. Wir stehen sportlich, wirtschaftlich und damit auch perspektivisch glänzend da, haben eine tolle Frauen-WM hinter uns und werden trotzdem mit Themen wie Gewalt oder möglichen Steuerdelikten von Schiedsrichtern konfrontiert“, sagte Niersbach der Tageszeitung Welt.