Danzig. Hooligan-Probleme, Bau-Verzug und schlechte Stimmung bei den Fans: Neun Monate vor Beginn der EM-Endrunde hat Co-Gastgeber Polen noch eine Reihe von Hindernissen zu überwinden.

Der Feind des polnischen Fußballs trägt einen schwarzen Kapuzenpulli, sein Gesicht ist vermummt. Er schleicht sich von hinten an - und schlägt brutal zu. Wie ein Karatekämpfer tritt er einer wehrlosen Kamerafrau in den Rücken, ehe er wieder in der Masse der Randalierer verschwindet.

Schlimme Ausschreitungen beim Spiel Legia Warschau gegen Lech Posen

Aufnahmen wie diese von den Ausschreitungen nach dem polnischen Pokalfinale zwischen Legia Warschau und Lech Posen am 3. Mai in Bromberg bestimmen neun Monate vor Beginn der EURO das Bild von Co-Gastgeber Polen. Doch ungeachtet des Hooligan-Problems, der Schwierigkeiten beim Stadion-Bau und der schlechten Stimmung im Land meint OK-Chef Marcin Herra: 'Wir sind auf dem richtigen Weg.'

Auch Verbandspräsident Grzegorz Lato beschwichtigt. In Polen sei es auch nicht schlimmer als anderswo, sagt der Torschützenkönig der WM 1974, außerdem habe sich Premierminister Donald Tusk der Hooligan-Thematik angenommen. In der Tat: Seit Tusk sich eingemischt hat, ist manches besser geworden. Der Premier hat den Einsatz von Schnellgerichten auf den Weg gebracht, Stadionverbote einfacher und die Nutzung elektronischer Fußfesseln möglich gemacht.

Fanforscher rechnet mit erheblichen Schwierigkeiten während der EM 2012

Der renommierte Fan-Forscher Gunter Pilz hegt dennoch Zweifel, dass Polen seine gewaltbereiten Söhne bis zur EM ausnahmslos befrieden kann. 'Natürlich werden wir Probleme kriegen', sagte er dem ZDF. Pilz rechnet mit 'erheblich mehr' Schwierigkeiten als bei Spielen in 'Österreich, der Schweiz, Deutschland oder England, da braucht man gar nicht zu diskutieren'.

Neben Gewalt ist auch Fremdenhass in Polens Stadien ein ernstes Problem. Bei Spielen der ersten Liga Ekstraklasa sind immer wieder Banner oder Plakate mit antisemitischen Aufschriften zu sehen. Die Polizei ist machtlos, weil die Klubs in ihren Arenen Hausrecht haben und nicht selten mit den Unruhestiftern paktieren.

Herra weiß um die Problematik. Die Regierung, sagt er, nehme das Thema ernst. Angst müsse kein Fan haben, wenn er im Frühsommer 2012 durch Polen reise. 'Ich bin überzeugt davon, dass die EM ein sicheres Turnier wird', sagt der Funktionär. Dariusz Lapinski, im OK für die Fanarbeit zuständig, pflichtet bei. 'Gewalt ist in polnischen Stadien inzwischen eine Seltenheit', sagt er. Die 'wenigen Vorfälle' würden von den Medien 'hochgepusht'.

Schwierigkeiten beim Stadionbau in Polen

Auch Lapinski kann jedoch nicht leugnen, dass in der Bevölkerung noch keine EM-Euphorie herrscht. Einer Umfrage zufolge glauben über 60 Prozent der Polen, dass die EURO für ihr Land mit einem Fiasko endet - organisatorisch, nicht sportlich. Das liegt auch an den Problemen mit Stadionbau und Infrastruktur. Weil die Bauaufsicht im neuen Nationalstadion in Warschau Mängel an Treppen feststellte, muss die deutsche Nationalmannschaft am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) in Danzig antreten. Das Stadion dort, ein imposanter Bau, der einem riesigen Bernstein gleicht, wurde jedoch auch erst nach dem geplanten Termin fertig.

Dass die Feuerwehr bei der Abnahme des Stadions große Sicherheitsbedenken geäußert und eine Mängelliste mit 26 Punkten vorgelegt hat, sorgte wenige Tage vor dem Spiel gegen die DFB-Elf erneut für Unruhe. Auch in Breslau verzögerte sich die Fertigstellung des EM-Stadions um mehrere Monate, erst ein Wechsel des Generalunternehmens brachte den Bau wieder voran. Im November soll die Arena eröffnet werden. Immerhin: In Posen lief alles weitgehend rund, sieht man davon ab, dass der Rasen nicht so recht (an-)wachsen will.

Vollendung des Straßenbaus unsicher

Noch größer sind die infrastrukturellen Probleme. 4000 Kilometer neue Autobahnen und Schnellstraßen sollte die EM bringen, doch die wichtigste Verkehrsader, die A2 von Berlin nach Warschau, bleibt aller Voraussicht nach unvollendet. 'Ob wir noch fertig werden, hängt vom Winter ab - ob er hart oder mild wird', sagt der stellvertrende Verkehrsminister Radouslav Stepiel. Über die ebenfalls schwerwiegenden Probleme des Partners Ukraine in diesem Bereich will sich weder Stepiel noch einer der Funktionäre offen äußern.

Auf der Zielgeraden in Richtung EM-Auftakt am 8. Juni in Warschau hat sich Herra derweil die Deutschen zum Vorbild genommen. Die hätten vor der WM 2006, als in internationalen Medien auch über Hooligans und Ausländerhass berichtet wurde, einfach gesagt: Lasst uns offen sein, lasst uns freundlich sein, lasst uns lächeln. 'Das', sagt Herra schmunzeld, 'wollen wir auch tun.' (sid)