London. Arsenal-Trainer Arsene Wenger steckt mit seinem Verein in der größten Krise seiner 15-jährigen Amtszeit. Der Champions-League-Gegner von Borussia Dortmund erlebt derzeit einen massiven Umbruch, bei dem der Elsässer bereits in Frage gestellt wurde.

Letztlich brach doch noch jemand das Tabu. Ob Arsene Wenger nun nach 15 Jahren beim FC Arsenal an Rücktritt denke, wollte der Reporter nach dem ebenso historischen wie demütigenden 2:8-Debakel beim englischen Fußball-Rekordmeister Manchester United wissen. "Ich gebe nicht auf. Man sollte mir zumindest etwas Zeit geben, bevor man mich infrage stellt", erwiderte Wenger in seiner besonnenen Art.

Ferguson nimmt Wenger in Schutz

Selbst Uniteds Teammanager Sir Alex Ferguson, der sich mit Wenger oft verbale Duelle der untersten Schublade geliefert hatte, nahm seinen Amtskollegen in Schutz. "Die Kritik ist unfair. Aber wir leben in einer zynischen Welt, in der Trainer schon nach ein paar Niederlagen entlassen werden", sagte der Schotte. Ferguson hat als Tabellenführer natürlich gut reden. In der Premier League wird United wohl nur Lokalrivale Manchester City, der 5:1 bei Tottenham Hotspur gewann, gefährlich.

United und City beweisen momentan, dass man mit großen Investitionen Großes leisten kann. Bei Arsenal ist die Kasse nach den Verkäufen von Cesc Fabregas und Samir Nasri ebenfalls gut gefüllt. Und obwohl seine Transferpolitik mangels Verstärkungen bei immer mehr Fans in der Kritik steht, denkt man in Islington im Norden Londons natürlich nicht ernsthaft darüber nach, Wenger loszuwerden. Um jedoch neben der Meisterschaft auch in der Champions League gegen Mannschaften wie Gruppengegner Borussia Dortmund zu bestehen, muss Wenger auf dem Transfermarkt aktiv werden. Koste es, was es wolle.

Wenger beklagt Personalnot

Wenger betonte, dass in Manchester acht Spieler verletzt oder gesperrt fehlten und es somit "besondere Umstände" gewesen seien. "Bei Arsenal arbeiten 20 Leute daran, neue Spieler zu verpflichten. Wir haben genug Geld", sagte der 61-Jährige. Zumindest beim deutschen Arsenal-Fanklub "German Gooners" ist man skeptisch. Der Vorsitzende Jens Bellmann sagte der Nachrichtenagentur dapd: "Wenger hat seinen Heiligenschein eingebüßt."

Natürlich stehen solche Aussagen unter dem Eindruck des Debakels von Manchester. So einen Auftritt mit acht Gegentoren, den Wenger selbst "schrecklich, schmerzhaft und demütigend" nannte, hatte man von Arsenal unter dem Franzosen in anderthalb Jahrzehnten nie gesehen. Tatsächlich hatte man so etwas seit dem 0:8 gegen Loughborough Town im Jahr 1896 nicht mehr gesehen. 1927 hatte man beim 0:7 gegen West Ham United zuletzt mit mehr als sechs Toren Differenz verloren.

Transfers von Fabregas und Nasri in der Kritik

Doch bei Arsenal ist Wenger eigentlich unantastbar. T-Shirts mit dem Aufdruck "Arsene knows" (Arsene weiß es) sind ein Bestseller im Fanshop. Vor dem Spiel bei United hielten Fans Transparente mit der Aufschrift "Wir vertrauen Arsene" hoch. Der smarte Franzose hat aus der einst als "langweiliges, langweiliges Arsenal" verspotteten Rumpeltruppe ein spektakuläres Ensemble geformt. Doch den Aderlass vor dieser Saison konnte er bisher nicht kompensieren.

Während der Verkauf von Cesc Fabregas zu seinem Heimatverein FC Barcelona sich im Prinzip schon seit Jahren anbahnte, sorgte der Weggang von Samir Nasri zu Manchester City für verwundertes Kopfschütteln. Es wird die Arsenal-Fans nur wenig beruhigen, dass der kleine Franzose gegen den Erzrivalen aus Tottenham gleich in seinem ersten Spiel für City eine Galavorstellung zeigte.

Manchester City das Maß aller Dinge

"Wir haben mit dem 5:1 ein Signal an die anderen Klubs gesendet. Wir haben ein großartiges Team und können Titel holen", sagte Nasri. Zu dem "großartigen Team" zählt auch der Ex-Wolfsburger Edin Dzeko, der gegen die Spurs gleich viermal traf. Der frühere Nationalspieler Dietmar Hamann, von 2006 bis 2009 ein Citizen, sagte gegenüber dem kicker: "City hat den besten Kader in Europa."

Noch ist City jedoch Zweiter wegen, man mag es kaum glauben, der schlechteren Tordifferenz. Zum Gigantentreffen mit United kommt es erst Ende Oktober. Bis dahin dürfte den beiden Klubs lediglich der FC Chelsea, sozusagen als letzte Bastion Londons, gefährlich werden. Auch Arsenal, so die einhellige Meinung, werde sich schon wieder erholen, selbst wenn Wengers Truppe im Titelrennen wohl keine Chance habe. (dapd)