Sinsheim. Beim Sieg gegen Uruguay sind zwei Spieler zu Schwergewichten der Nationalelf geworden: Andre Schürrle und Mats Hummels. Löw wirft nun seine eigenen Spieler ständig in die Waagschale. Er wiegt und befindet für schwer genug oder doch zu leicht.
Mario Gomez Garcia trägt diesen Namen, weil er einen spanischen Vater hat. Das Finale der Champions League war für den Stürmer also auch ein Spiel, in dem seine Wurzeln steckten. Nachdem die deutsche Nationalelf in Sinsheim die Auswahl Uruguays in aller Freundschaft mit einem 2:1 abgefertigt hatte, erinnerte Gomez deshalb an die große Gala von London, auf der die Akteure in so unterschiedlichen Roben erschienen waren. Der FC Barcelona, festlich gewandet, nicht erst nach dem Sieg. Manchester United, in Sack und Asche, schon nach zehn Minuten mit Ball. „Ich glaube“, sagte Gomez, „es war noch nie eine Mannschaft so stark wie Barcelona im Moment.“
Noch nie. Das ist ein Wort, das Gewicht hat in der an gewichtigen Worten reichen Fußballhistorie. Das ist aber auch ein Wort, das Joachim Löw ständig durch den Kopf rotieren muss. Die Spieler von Barcelona, all diese Xavis und Iniestas und Villas (himmelseidank nicht: Messis), stehen für das Ensemble ihres Landes zur Verfügung. Und bei der EM 2012 werden sie, so erwartet es der Bundestrainer, so wird es allenthalben erwartet, die Gegner sein, an denen allein die vorbeiziehen können, die Gewicht gemacht haben. Mehr Gewicht.
Spieler in der Waagschale
Löw wirft nun seine eigenen Spieler ständig in die Waagschale. Er wiegt und befindet für schwer genug oder doch zu leicht. Im Rhein-Neckar-Stadion hat der Bundestrainer dabei noch einmal mit einem Anspruchsdenken verblüfft, das so wuchtig ist, wie es in Deutschland seit Anfang der 90er-Jahre nicht mehr beobachtet werden konnte. 25.655 Menschen waren gekommen. Und alle sind zufrieden wieder gegangen. Uruguay, der Siebte der Weltrangliste, hatte sich stark präsentiert. Deutschland, obwohl auf vielen Positionen nicht mit Personal aus dem Establishment bestückt, war aber stärker. Erzielte ein prächtiges Tor durch Gomez in der 20. Minute. Erzielte ein ebenso prächtiges Tor durch Andre Schürrle in der 35. Minute. Ließ zwar noch einen Gegentreffer durch Walter Gargano zu (48.), behielt das Heft aber in der Hand.
Nur dieser Mann, der ohne Eintrittskarte ins Stadion gelangt war, hatte „den einen oder anderen“ auf dem Rasen entdeckt, der seine Aufgaben nicht auf dem Niveau erledigt haben soll, das ausgerufen ist. „Nicht auf dem högschten Niveau“, wie es der Bundestrainer aus dem Badischen formulieren würde, nicht auf Barca-Niveau. Ausgeplaudert hat Löw natürlich nicht, wie die „einen oder anderen“ im Alltag genannt werden. Dass er Lukas Podolski nach dessen Einwechslung für Schürrle mit wilden Gesten begleitet hat, offenbarte aber: Der linke Offensive Poldi ist notiert. Und vielleicht auch: Thomas Müller. Der Bayer von der rechten Offensivseite hat sich einfach nicht weiterentwickelt seit der glorios absolvierten WM von Südafrika. Und Nicht-Weiterentwicklung bedeutet: Stagnation. Und in Stagnation rumort Drohpotenzial: Beim nächsten Mal werden wir dem Spanier vielleicht schon wieder nicht trotzen können.
Schürrle ins Herz geschlossen
Schürrle hat der Bundestrainer ins Herz geschlossen. „Er war gut, nicht nur wegen seines Tores“, lobte er den Neu-Leverkusener. Im Fall Gomez entscheidet eine Rippenprellung, die Miroslav Klose zur Untätigkeit zwingt, nicht allein über den Einsatz in den Spielen der EM-Qualifikation gegen Österreich und Aserbaidschan. Wer über einen längeren Zeitraum Hochwertiges anbietet, der gehört für Löw bis auf Widerruf durch krassen Leistungsabsturz zur ersten Elf. Mats Hummels könnte ähnlich profitieren. Davon, dass Per Mertesacker verletzt ist. Der Dortmunder spielte souverän auf. Und schon vorab hatte der Chef den 22-Jährigen mehrfach hervorgehoben. Die durchaus auch gefühlsmäßige Findungsphase, der Prozess, bei dem die Waage die Tauglichkeit in der Gruppe wiegt, scheint für ihn beendet.