München. . Der amtierende Meister Bayern München findet gegen den kommenden Meister Borussia Dortmund keine Lösung. Eine Unwucht im Team gefährdet sogar das Ziel, noch Platz zwei zu erreichen.
Eigentlich ist Luis Gustavo Dias uneingeschränkt zu beneiden. Der Herr ist 23 Jahre alt, braucht sich bereits keine Sorgen um seine Rente zu machen, darf den ganzen Tag das tun, was ihm Spaß macht – und wird für dieses Hobby vom FC Bayern München fürstlich entlohnt.
Es muss also verdammt angenehm sein, Luis Gustavo zu heißen. Am Samstagabend, so gegen zehn nach sieben, gab es wohl kaum Schlimmeres. Es war eine kleine Szene in einem großen Spiel – und doch verriet sie viel über den Orkan, der über die Münchner hinweggefegt war. Gustavo, den Trainer Louis van Gaal aus unerklärlichen (und falschen) Motiven vom defensiven Mittelfeld wieder auf die linke Abwehrseite verfrachtet hatte, stand da mit dem Ball am Fuß an der Seitenlinie, und man sah ihm sogar von der Tribüne aus – Luftlinie 40 Meter – sein Unbehagen an. Der Jung-Borusse Mario Götze stand ihm ohnehin auf den Füßen, dann mischte sich auch der heranstürmende Lucas Barrios in die Szenerie – und als Gustavo den Ball schließlich verängstigt nach vorne schlug, stand da schon Nuri Sahin, der sich als dritter Borusse herangepirscht hatte, nahm die Kugel lässig auf und leitete den nächsten BVB-Angriff ein.
Stets waren die Borussen in Überzahl, ohne dass gleichzeitig irgendwo jemand zu fehlen schien. Eine mathematische wie läuferische Glanzleistung.
Es gab dann am Ende auch nichts zu deuteln am verdienten Sieg der Borussen, nichts zu debattieren über die bekannten Schwächen in der Bayern-Defensive, an denen allein das Ausmaß überrascht. Holger Badstuber etwa irrlichterte derart umher, dass Fragen nach seiner Nationalelfperspektive zwangsläufig waren. Und wenn Bastian Schweinsteiger dann noch einen derart verpatzten Auftritt hinlegt, schrumpft die bayerische Herrlichkeit schnell auf Miniaturgröße zusammen.
Vor allem waren die Bayern erschreckend einfallslos. Eine Ballbesitzquote von 64 Prozent bietet eben keine Gewähr für einen Erfolg. Wenn sich die Elf nicht auf Geniestreiche von Robben oder Ribéry verlassen kann, wird die Anfälligkeit offensichtlich. „Wir konnten den Arjen nicht anspielen, den Franck auch nicht. Und durch die Mitte ging ja auch nichts“, klagte Thomas Müller nach der Partie allumfassend. Es war eine derartige Kapitulationserklärung, dass man fast Mitleid haben konnte. Dabei war es nur das Ergebnis fußballerischen Allgemeinwissens. „Wir wussten: Wenn wir die Seiten zumachen, kommt da nicht viel“, sagte BVB-Verteidiger Neven Subotic genüsslich.
Die Bayern haben eine gefährliche Unwucht im Team, die von den Individualisten oft überschminkt wird. Am Samstag aber trat sie schonungslos zu Tage. Und so bleibt für die Bayern nach dem Abschied vom Titel (Manager Christian Nerlinger: „Die Meisterschaft ist begraben.“) eine „gefährliche Situation“ übrig, wie Nerlinger befand. Platz zwei ist nun das erklärte Ziel, die Champions League ein Muss, um die Bayern-Welt nicht vollends aus den Fugen geraten zu lassen. Am Samstag müssen die Münchner in Hannover antreten – die 96er, früher als Laufkundschaft belächelt, stehen zwei Punkte vor den Bayern. Es ist die Höchststrafe.