Oberhausen. Ein Blick hinter die Kulissen der 2. Bundesliga. Ein Jahr lang begleitete das Magazin "11 Freunde" den Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen auf Schritt und Tritt. erlebten Krisensitzungen, Vertragspoker und Kneipentouren. Erster Teil des Tagebuchs: der Sommer 2009 - und der Sommer 2008.
nach der maloche
17. Mai 2009: Die Mission ist erfüllt | RWO schafft den Klassenerhalt am 33. Spieltag
Die Schlagwörter für das letzte Heimspiel sind auf der Flipchart nachzulesen. In der Handschrift von Trainer Jürgen Luginger steht dort: Leidenschaft! Siegeswille! Nach dem Schlusspfiff – Rot-Weiß Oberhausen schlägt den SC Freiburg mit 1:0 – dauert es nur ein paar Sekunden, bis die Fans das Spielfeld stürmen. Der Stadionsprecher ruft noch schnell: "Passt mir auf den Benny auf, der ist an Krücken!" Soviel Zeit muss sein im Schatten des Gasometers: Benjamin Reichert ist der Kapitän der Kleeblätter – und wieder mal verletzt. Dann kann endlich gefeiert werden: Der Erste in der Spielerkabine ist Stammtorwart Christoph Semmler, der heute als zweiter Mann auf der Bank gesessen hat. Sein Jubel ist verhalten. Er hätte gerne selbst im Tor gestanden, mehr als ein halbes Jahr nach seinem Kreuzbandriss. Die anderen Spieler eilen hoch in den leeren VIP-Raum. Verteidiger Daniel Embers, nackter Oberkörper und Badelatschen, klettert wagemutig aus einem Fenster und steigt auf das Stadionvordach. Dort erwischt ihn eine Bierdusche nach der anderen, wie den Frontmann bei einem Punk-Konzert. Die Fans unten haben vom Klub 3000 Liter Freibier spendiert bekommen. Während Embers klatschnass wieder reinklettert, schaut Ersatzstürmer Julian Lüttmann auf der anderen Seite aus dem Fenster: ins mittlerweile leere Stadion. Ein letzter Blick zurück, er wird den Klub verlassen. Es gibt jetzt eigentlich nur noch eine Frage zu klären: Wo steckt Verteidiger Dimitrios Pappas?
Ausweitung der Kampfzone
Sommer 2008: Absteiger Nummer eins, Saisonmotto : »Malocherschicht, die II.«
Rot-Weiß Oberhausen ist in den letzten beiden Jahren zweimal aufgestiegen – im Eiltempo ging es von der vierten in die zweite Liga. Im Sommer 2008 startet RWO als ärmster Zweitligist in die neue Spielzeit, weist mit 3,267 Millionen Euro den geringsten Etat aus. Der Schnitt in der Liga liegt bei acht Millionen. Geld schießt Tore, sagt man – wenn das stimmt, haben sie keine Chance. Doch genau die wollen sie nutzen, das Unmögliche schaffen: den Klassenerhalt. Bei genauer Betrachtung wäre es zumindest keine Überraschung, wenn sie als ein neues Tasmania Berlin mit einem Negativrekord in die Bundesliga-Geschichte eingingen. Heribert Bruchhagen von Eintracht Frankfurt, der jedes Jahr auf die Schlusstabelle wettet und die Platzierungen für zementiert hält, sagt: "Nur fürs Protokoll: RWO hat keine Chance, keine."
Der Klub baut sich aus dem Wettbewerbsnachteil ein Image, preist die Kumpelwerte vergangener Tage. In der Oberliga lautete das Motto "Sonderschicht", im Fan-Shop gibt es neuerdings "Mini-Malocher"-Shirts in XXS und auf dem Mannschaftsbus steht "Malocherschicht, die II.". Die zwei gekreuzten Hämmer, das Symbol der Bergmänner, gehören längst ebenso zur Corporate Identity wie das originäre Kleeblatt. Der Bus ist übrigens das ausrangierte Gefährt des 1. FC Köln. Die Oberhausener haben ihn günstig aufgekauft und neu lackiert. Kurz vor dem ersten Meisterschaftsspiel treffen wir uns mit Präsident Hajo Sommers und Manager Hans-Günter Bruns. Unsere Frage lautet: Dürfen wir den Zweitligaklub eine Saison lang begleiten? Mit dem Team eintauchen in die Spielerkabine, ins Trainingslager, in den Mannschaftsbus – in guten und in schlechten Zeiten? Zwei Tage später, zurück in Berlin, die Zusage. Die Oberhausener sind zwar skeptisch, Trainer Luginger regelrecht reserviert. Womöglich fürchtet er, dass sein Scheitern nachher auch für jeden Außenstehenden sichtbar sein wird. Warum die RWO-Granden trotzdem mitmachen? Sie wollen wissen, ob sie sich und ihrer Philosophie auch im Profialltag treu bleiben.
Fortsetzung im zweiten Teil: "Sturmfrei bei Terranovas - Pokalniederlage gegen Leverkusen, Liga-Fehlstart: 0:3 in Koblenz, 1:4 auf St. Pauli"