Belek.

Der bei Bayern München einst gescheiterte Torwart Michael Rensing nimmt beim 1. FC Köln einen neuen Anlauf. Im Trainingslager hat er den Anschluss gesucht und gefunden.

Kerzengerade steht er da, seine Körperhaltung drückt Selbstsicherheit aus. Beim Gespräch sucht er den direkten Blickkontakt. Michael Rensing glaubt wieder an sich, die Zeit der Zweifel nennt sich Vergangenheit. Sie war ärgerlich, deprimierend – und lehrreich.

„Ich habe versucht, auch ohne Job glücklich zu sein“, erzählt der Torwart, der im Sommer vom FC Bayern aussortiert wurde. „Dabei habe ich aber gemerkt, dass Fußball doch das ist, was ich am liebsten mache.“ Jetzt darf er wieder spielen, und nicht nur das. Nach halbjähriger Arbeitslosigkeit gilt der 26-Jährige bei seinem neuen Verein 1. FC Köln, der auf Platz 16 der Bundesliga überwintern musste, als neuer Hoffnungs- und Verantwortungsträger.

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Von DerWesten

Im Trainingslager in Belek hat er den Anschluss gesucht und gefunden, sportlich wie menschlich. Trainer Frank Schaefer singt in höchsten Tönen ein Loblied auf den Nachfolger des nach Philadelphia gewechselten Faryd Mondragon: „Ob die Integration schnell gelingt, hängt immer davon ab, wie der Spieler daran mitarbeitet“, erklärt er. „Michael Rensing übernimmt Führung und bringt seine Erfahrung ein, er ist sehr kommunikativ und packt mit an. Bei uns lebt er wieder auf. Er ist ein Klassetyp!“

Es ist eine Weile her, dass Michael Rensing zuletzt derart hoch eingeschätzt wurde. „Schon schön, so etwas zu hören und das Vertrauen zu spüren“, sagt er.

Das Supertalent

Als junger Kerl kannte er gar nichts anderes. Nachdem er im Jahr 2000 als 16-Jähriger aus dem niedersächsischen Lingen zu den Bayern gegangen war, startete er durch. Er war Torhüter der Nachwuchs-Nationalmannschaften bis zur U 21, er galt als Supertalent. Im September 2006, als er noch regelmäßig auf der Münchener Bank Platz nahm und brav auf das Karriere-Ende des unverwüstlichen Oliver Kahn wartete, wusste der damalige Bayern-Manager Uli Hoeneß in seiner gewohnt zurückhaltenden Art schon mehr als Bundestrainer Joachim Löw: „Lehmanns Nachfolger in der Nationalelf wird auf jeden Fall Rensing und sonst keiner, das werden wir ja sehen. Da können sich alle anderen auf den Kopf stellen!“

Ein junger Torhüter, der dermaßen mit Erwartungen überfrachtet wird, sollte Tentakel haben. Oder einen magnetischen Körper, der auch Kunststoffbälle anzieht. Michael Rensing aber erwies sich, nachdem er 2008 tatsächlich zum Stammtorwart befördert wurde, als normaler Mensch mit Stärken und Schwächen. In den Fußstapfen Oliver Kahns drohte er zu versinken – nach der 1:5-Blamage in Wolfsburg im April 2009 ersetzte ihn Trainer Jürgen Klinsmann durch Jörg Butt.

Unter dem neuen Bayern-Trainer Louis van Gaal kämpfte sich Rensing zurück. Doch es dauerte nur vier Spiele, bis der Niederländer den instabilen Schlussmann degradierte. Der Karriereknick. Die Bayern verlängerten den Vertrag nicht mehr, Michael Rensing stürzte vom Spielerkarussell. Er, der doch angeblich Hochtalentierte, musste sich gedemütigt fühlen. „Es war nicht immer leicht“, sagt er leise.

Seinen Ehrgeiz aber hatten die Bayern nicht gebrochen. Er hielt sich beim Bezirksoberligisten VfR Garching fit. Im November stellte er sich auf Probe beim englischen Zweitligisten Leicester City vor, dessen Vertragsangebot aber lehnte er ab. Als kurz vor Weihnachten dann der erlösende Lockruf aus Köln kam, wusste er: Es hatte sich gelohnt zu warten. Beim FC unterzeichnete er einen Vertrag bis zum Saisonende.

In München lebte er als Profi stets mit höchsten Ansprüchen, in Köln geht es ums sportliche Überleben. „Der Klassenerhalt ist eine echte Herausforderung“, sagt er. Auf den Start am Sonntag in Kaiserslautern freut er sich wie ein Gefangener auf den ersten Tag in Freiheit: „Es kribbelt schon“, sagt er und gibt auch mit den Mundwinkeln einen Einblick in seine Gefühlslage. Er zieht sie weit nach oben.