Zuzenhausen.

Mehr als einmal kniff Ralf Rangnick die Lippen zusammen. Schwieg in Momenten, in denen es in der Vergangenheit so oft aus ihm herausgeplatzt wäre. Machte gute Miene zum schlechten Spiel. Wenigstens der Trainer beendete die Zusammenarbeit mit der TSG 1899 Hoffenheim während einer skurrilen Pressekonferenz am Sonntag im Trainingszentrum von Zuzenhausen noch mit Anstand.

Es ging um die Bestätigung einer schon am Vorabend kursierenden Nachricht: Mit sofortiger Wirkung haben sich Rangnick und der von Mäzen Dietmar Hopp ambitioniert in die Bundesliga gehievte Dorfklub getrennt – allerdings nicht im gegenseitigen Einvernehmen, wie es der Verein öffentlich verkaufen wollte.

Trainer Ralf Rangnick wird 2009 während seines Besuchs im aktuellen Sportstudio mit den Unstimmigkeiten mit Mäzen Dietmar Hopp konfrontiert.
Trainer Ralf Rangnick wird 2009 während seines Besuchs im aktuellen Sportstudio mit den Unstimmigkeiten mit Mäzen Dietmar Hopp konfrontiert.

Denn hinter der Trennung steckt ein tiefer Riss zwischen Cheftrainer und Geldgeber, der darin seine Ursachen hat, dass Hopp im Alleingang Luiz Gustavo zum FC Bayern München verkauft hat – gegen den Willen des Managers Ernst Tanner und ohne Wissen Rangnicks. Eine Provokation, die sich der 52-jährige Trainer nicht gefallen lassen wollte und konnte. „Es ist ein ungewöhnlicher, einzigartiger Vorgang, dass so ein Spieler ohne direkten Informationsfluss zum Trainer verkauft wird. Da war alles klar, daraus habe ich meine Schlüsse gezogen“, berichtete der Familienvater mit gedrückter Stimme. „Welches Zeichen ist das für die Rückrunde an die Mannschaft“, fragte Rangnick, „wenn der beste, weil konstanteste Spieler verkauft wird?“

Pezzaiuoli Nachfolger

Der Vertrauensverlust unter den Alphatieren Hopp und Rangnick war zwischen Weihnachten und Neujahr nicht mehr zu kitten. Sprach Rangnick rückblickend zwar von einer „Edelsymbiose“, die sein viereinhalbjähriges Wirken im Kraichgau für beide Seiten gewesen sei, bot sich indes am Ende ein erschütterndes Bild. Bezeichnend: Bereits am 17. Dezember war Hopp zusammen mit Tanner und Gustavo-Berater Roger Wittmann zu ersten Verhandlungen in München – Rangnick wusste von nichts und wurde auch Tage später nicht über den wahren Sachverhalt aufgeklärt. Letztlich habe er den Fakt, dass der 23-jährige Brasilianer nun für rund 15 Millionen Euro zum Rekordmeister transferiert werde, erst von Anrufen des bestens informierten Bild-Reporters und des Beraters von David Alaba erfahren – der Bayern-Spieler kommt nämlich als Gustavo-Ersatz zur Rückrunde nach Hoffenheim.

Das Bayern-Talent wird dort künftig von einem ausgewiesenen Jugendspezialisten angeleitet. Marco Pezzaiuoli, 42, erst seit Saisonbeginn in den Trainerstab aufgenommen, rückt zum Chefcoach auf, weil mit Rangnick auch dessen Co-Trainer Peter Zeidler geht.

2008 feierten Trainer Ralf Rangnick (li.) und Mäzen Dietmar Hopp (beide Hoffenheim) den Aufstieg in die erste Bundesliga.
2008 feierten Trainer Ralf Rangnick (li.) und Mäzen Dietmar Hopp (beide Hoffenheim) den Aufstieg in die erste Bundesliga.

Tanner versprach: „Marco ist mehr als eine Interimslösung“. Der redselige Pezzaiuoli, gebürtiger Mannheimer, einst Jugendkoordinator unter Joachim Löw beim Karlsruher SC, erwarb sich größere Bekanntheit beim DFB, als er 2009 die U 17-Junioren zum Europameistertitel führte.

Rangnick wäre ganz gewiss mit dem von ihm zusammengestellten Aufgebot am Montag ins Trainingslager ins spanische La Manga geflogen, wenn der Gustavo-Deal nicht unter für ihn inakzeptablen Umständen abgelaufen wäre. Er verhehlte nicht, wie tief ihn dies getroffen hat: „Das war das letzte Signal, dass sie mich hier nicht mehr brauchen.“

Hopp, die graue Eminenz im Hintergrund, vermochte die teils dubios-diffusen Hintergründe an diesem Wintertag nicht erhellen: Wegen einer unaufschiebbaren Rede in den USA war er beim Abschied nicht anwesend, doch ließ der 70-Jährige immerhin Grundsätzliches mitteilen: Dass der Milliardär nämlich nicht gewillt ist, dem Klub auf unbestimmte Zeit noch unbegrenzte Mittel zur Verfügung zu stellen. „Wir sind ein vergleichsweise kleiner Bundesligist mit einem Stadion. Verständlich, dass Ralf Rangnick, nachdem das ‚Projekt erste Liga’ schon nach zwei Jahren vollendet war, Herausforderungen in anderen Dimensionen sucht und damit naturgemäß in Hoffenheim an Grenzen stößt“, hieß es in Hopps Erklärung. Und: „Auch wir dürfen nicht das Uefa-Reglement zum finanziellen Fairplay aus den Augen verlieren.“

Dabei auch Fairplay mit einem der verdientesten Angestellten walten zu lassen, wäre vielleicht auch nicht die schlechteste Idee gewesen.