Düsseldorf. In NRW wächst die Kritik an einem zu harten Vorgehen der Sicherheitsbehörden am Rande von Fußballspielen. Fans beschweren sich über den immer ruppigeren Einsatz der Ordnungshüter. Beim Kampf gegen Hooligans würden auch unbeteiligte Stadiongänger in Mitleidenschaft gezogen.
In Nordrhein-Westfalen mehrt sich Kritik an einem zu harten Vorgehen der Sicherheitsbehörden. Mitte April kesselten 450 Polizisten am Rande des Drittliga-Spiels zwischen Fortuna Düsseldorf und Union Berlin stundenlang 250 Fans und Unbeteiligte ein. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall. Zehn empörte Bürger hatten Anzeigen gegen die Polizei erstattet.
Fortuna-Fans demonstrieren: "Fans sind keine Verbrecher"
Der Vorfall hatte sogar ein Nachspiel im Stadtrat der Landeshauptstadt. «Das darf nicht wieder vorkommen, solch ein Einsatz muss einmalig bleiben», forderte die Düsseldorfer FDP-Fraktionschefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Seitdem demonstrieren die Fortuna-Fans wöchentlich mit Plakaten gegen die Polizei. Ihr Motto: «Fußballfans sind keine Verbrecher.»
In Paderborn wurden laut Medienberichten Anfang April gut 800 Union-Berlin-Fans bereits am Bahnhof eingekesselt. Einige Anhänger stürzten von den Bahngleisen. Wahllos sprühte die Polizei nach Berichten von Augenzeugen mit Pfefferspray. Unbeteiligte wurden auf Kopfhöhe mit Schlagstöcken traktiert. Auch in Wuppertal gingen unlängst Polizeibeamte laut Augenzeugen mit Pfefferspray gegen Fans vor, die aus ungeklärten Gründen eingekesselt worden waren.
In Internetforen beschweren sich Fußballfans über den immer ruppigeren Einsatz der Ordnungshüter. Beim Kampf gegen Hooligans würden auch unbeteiligte Stadiongänger in Mitleidenschaft gezogen, so der Tenor der Kritik von der Fußballbasis.
Innenministerium: Friedlicher Ablauf ist das Ziel
Es gebe keinen Strategiewechsel der Polizei, betonte ein Sprecher des Düsseldorfer Innenministeriums. Die Beamten gingen je nach Einsatzlage vor. Bei gewalttätigen Fans reagiere die Polizei mit hartem Durchgreifen. Ziel sei aber immer ein friedlicher Ablauf.
Auf einer Fachtagung der Polizei in Berlin hatten sich unlängst Ordnungshüter und Polizeigewerkschafter ihrerseits über wachsende Fangewalt beschwert. Der Inspekteur der Länder-Bereitschaftspolizeien, Jürgen Schubert, sagte, «die Bilder von Gewalt am Rande von Fußballspielen ziehen sich quer durch die Republik». In der Saison 2007/2008 habe es dabei einschließlich der unteren Ligen mehr als 900 Verletzte gegeben, darunter 111 Polizisten. Aktuell bestünden für 2900 Personen Stadionverbote.
Ein merklicher Anstieg der Gewalt lässt sich allerdings im letzten Lagebericht der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der NRW-Polizei nicht ablesen. Tatsächlich ist die Zahl der Körperverletzungsdelikte von Fußballfans bei Spielen der 1. und 2. Bundesliga seit dem Jahr 2005/2006 bundesweit konstant geblieben. Pro Saison werden rund 1050 Delikte erfasst. In einer Spielzeit besuchen etwa 17 Millionen Menschen die Spiele der Bundesligen. Ein Runder Tisch gegen Gewalt soll nun einen Dialog zwischen DFB, Fans und Polizei herbeiführen. Einen Termin gibt es noch nicht.
Forderung: Gewalttäter-Datei nur für Hooligans
Die Landesdatenschutzbeauftragte Bettina Sokol fordert Änderungen bei der Datei «Gewalttäter Sport». Es müsse «unbedingt klargestellt werden, dass nur solche Personen in die Datei aufgenommen werden dürfen, denen nachvollziehbar Straftaten vorgeworfen werden», sagte Sokol. Eine Personalienfeststellung oder ein polizeilicher Platzverweis bei oder am Rande von Fußballspielen allein dürften nicht zur Speicherung führen. Bund und Länder sollten sich auf eine Neuregelung verständigen.
Nach Angaben eines Sprechers des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen (LZPD) in Duisburg sind nach letztem Stand vom Januar derzeit rund 10 600 Personen in der Fandatei abgespeichert. Zur Gefahrenabwehr soll die Datensammlung vermeintliche Hooligans für die Polizei auflisten.
Vor den Verwaltungsgerichten der Republik läuft seit Monaten ein Streit, ob der Staat für die umstrittene Datei eine neue Rechtsgrundlage schaffen muss. Auch die Grünen-Landtagsabgeordnete Monika Düker fordert, dass «nur noch Straftäter» in die Datei aufgenommen werden dürfen. Alles andere wäre für einen Rechtsstaat bedenklich, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen. Die Landesregierung will jedoch an der Datei festhalten.
Ausgelöst hatte den juristischen Streit ein Fußballfan aus Hannover. Ihm hatte 2006 ein Polizist bei einer Rangelei im Stadion mit seinem Schlagstock ins Gesicht geschlagen. Dafür bekam der Fan Schmerzensgeld. Der Polizist zeigte ihn aber wegen Landfriedensbruchs an. Das Verfahren wurde eingestellt, doch der Fan landete dennoch in der Datei «Gewalttäter Sport». Die Speicherung kann zum Beispiel dazu führen, dass dem eingetragenen Fan die Ausreise zu Länderspielen oder Europacup-Partien verweigert wird. (ddp)