München. .
Louis van Gaal wirkt entspannt, kaum etwas scheint den Trainer des FC Bayern München in diesen Tagen zu stören. Er lächelt oft, sogar manchmal im Training.
Sogar die Kritik für den uninspirierten Pokalauftritt zu Beginn der Woche (4:0 gegen Germania Windeck) trug er mit erstaunlicher Gelassenheit vor. Vor dem Bundesligaauftakt gegen den VfL Wolfsburg herrscht beim deutschen Rekordmeister eine fast schon unheimliche Ruhe – und das liegt vor allem an van Gaal.
Es ist in der Öffentlichkeit nicht mehr viel übrig geblieben vom Bild, das der Niederländer zu Beginn seiner Arbeit in München abgab. Sein Image hatte sich am Ende der vergangenen Saison komplett geändert, aus dem strengen, sturen Fußballlehrer wurde das ausgelassene Feierbiest.
Dass er ganz so locker wie nach den beiden Titelgewinnen nicht bleiben würde, war fast klar. Denn zu Beginn eines neuen Spieljahres gibt es noch nicht viel zu feiern – mal abgesehen von dem wenig bedeutsamen Sieg im Supercup gegen den FC Schalke 04 vor knapp zwei Wochen. Den Erfolg muss sich die Mannschaft erst wieder erarbeiten, und Arbeit ist bei van Gaal eigentlich kein Vergnügen.
Es scheint so, als ob der Trainer erst jetzt, in seinem zweiten Jahr in München, sein wahres Gesicht zeigen würde. Er ist in der Öffentlichkeit noch immer meist etwas distanziert, aber das ganz große Misstrauen hat er abgelegt. Der alte van Gaal kann natürlich plötzlich wieder auftauchen – wenn der Erfolg ausbleibt. Aber damit rechnet niemand im Verein. „Ich gehe davon aus, und ich denke, ich bin da nicht alleine, dass man alles, was man im letzten Jahr erreicht hat, wieder erreichen kann“, sagte Ehrenpräsident Franz Beckenbauer.
Zu viele Spieler
Van Gaals Spieler haben die Regeln der täglichen Zusammenarbeit durch die harte Lektion der Vorsaison gelernt. „Die Spieler wissen exakt, was wir Trainer von ihnen wollen“, sagt van Gaal und sieht die Mannschaft auf einem höheren Niveau. „Aber jeder kann noch besser werden.“ Es ist ihm auch gelungen, den vielleicht schwierigsten Charakter im Ensemble für sich einzunehmen. Franck Ribéry ist nicht trotz des Niederländers in München geblieben, sondern auch wegen ihm. Das Verhältnis sei „viel, viel besser geworden“, sagt der Franzose, der fast freundschaftlich immer von „Louis“ redet, wenn er den Trainer meint. „Ich brauche sein Vertrauen, und er meins, das ist wichtig für uns.“ Ribéry spricht mittlerweile auch ganz gut Deutsch, was auch für die Kollegen ein weiterer Beweis für seinen Integrationswillen ist. „Er fühlt sich als Teil der Mannschaft“, sagt Torwart Jörg Butt.
Van Gaals einziges Problem könnte der große Kader sein. Denn ein paar Positionen sind nicht nur wie von ihm angestrebt doppelt besetzt, sondern gleich drei- oder vierfach. „Ich habe immer gesagt, dass ich mit 22 Spielern arbeiten will. Wir haben 25, also können wir noch drei abgeben.“ Er rechnet damit, dass sich bis zum Ende der Transferperiode am 31. August noch etwas tut. Aber bisher hat sich keiner der in Frage kommenden Spieler ernsthaft mit einem Wechsel beschäftigt. „Das Problem ist, dass sich alle hier wohlfühlen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge.
Die Bayern verzichteten zum ersten Mal seit Jahren darauf, Geld für einen prominenten Neuzugang auszugeben. Aber nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil van Gaal es so wollte. Auf der linken Abwehrseite, der einzigen Position, für die sich die Bayern auf dem Transfermarkt nach einem Spieler umgesehen haben, setzt er auf den jungen Diego Contento. Der habe „sehr viel Potenzial“, findet der Trainer. Ähnlich hat er in der vergangenen Saison über Holger Badstuber und Thomas Müller gesprochen.