München. Schalke legt alle Schwächen der Münchener offen und forciert die Trainerdiskussion um Louis van Gaal beim Rekordmeister FC Bayern, die Nationalspieler Philipp Lahm schon vor dem Spiel mit massiver Kritik verstärkt hatte.

Bekommt Louis van Gaal noch eine letzte Chance in vierzehn Tagen gegen Spitzenreiter Bayer Leverkusen? Oder war’s das schon? Gemessen an den Reaktionen der Bayern-Führung in vergleichbaren Situationen in den vergangenen Jahren spricht nicht wenig dafür, dass der Rekordmeister die Länderspiel-Pause dazu nutzen wird, die Weichen für eine Zukunft ohne den Holländer zu stellen.

Ein 1:1 gegen ein wiedererstarktes Schalke ließe sich zu allen Zeiten locker abhaken. Nur nicht in diesen. Weniger die zwei weiteren verlorenen Punkte als die offensichtliche Perspektivlosigkeit unter van Gaal schlägt nicht nur Fans und Funktionären, sondern – wie wir seit diesem Wochenende wissen – inzwischen auch den Spielern auf den Magen. Eine derart massive Attacke, wie sie Philipp Lahm in einem am Spieltag erschienenen Interview mit der Süddeutschen Zeitung ritt, hat sich in München selbst ein Stefan Effenberg oder Lothar Matthäus nicht getraut. Kritik an der Spielphilosophie, am Spielsystem und nicht zuletzt an der Art des Trainers, mit der viele nicht klar kämen – deutlicher kann ein Trainer kaum demontiert werden.

Ein vergleichbares Signal setzte Luca Toni, der nach seiner Auswechslung das Stadion noch während des Spiels verließ und damit den immer ratloser wirkenden Trainer auf dem falschen Fuß erwischte. „Das ist nicht gut“, räumte der gewöhnlich auf hohem Roß daherkommende Holländer kleinlaut ein, während die Bayern-Bosse hinter verschlossenen Türen wohl schon über seine Zukunft berieten.

Der Tag dürfte Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge zusätzlich dadurch verhagelt worden sein, dass ihnen brutal vorgeführt worden war, welchen Fehler sie begangenen hatten, als sie seinerzeit Felix Magath nach dem doppelten Double bei der ersten kleineren Krise vom Hof jagten. Für den Schalker Coach dürfte das 1:1 eine vergleichbare Genugtuung gewesen sein wie das letztjährigen 5:1 seiner damaligen Wolfsburger über die Bayern.

Der Unterschied zwischen den beiden Trainern des Spitzenspiels könnte nicht krasser sein: Hier van Gaal, der ein mit Abermillionen verstärktes Starensemble offenbar komplett verunsichert hat – dort Magath, der aus einem vergleichsweise spielerisch limitieren Kader Maximales herausholt. Nicht genug, dass Magath im Laufe der Saison schon eine Handvoll Youngster, die vorher nur Insider kannten, aus dem Hut gezaubert hatte – ausgerechnet beim Rekordmeister warf er mit Joel Matip einen weiteren, gerade mal 18-jährigen Bundesliga-Debütanten ins kalte Wasser. Dass dieser dann auch noch den Ausgleich erzielte, nährt den Verdacht, Magath sei ein verkappter König Midas, der alles zu Gold macht, was er anpackt.

Herrlich erzeugt keine Aufbruchstimmung beim VfL

Bis dahin ist es noch weiter Weg für Heiko Herrlich. Der Trainer-Einstand in der Bundesliga hätte für den früheren Nationalspieler nicht ernüchternder ausfallen können. Nach dem 1:2 in Frankfurt nun ein Heim-1:2 in letzter Minute gegen Freiburg. Und was noch schlimmer ist: Herrlich machte in beiden Partien sowohl von seiner Gestik als auch von der Rhetorik her nicht den Eindruck, dass er tatsächlich der Mann sein könnte, der in Bochum die gewünschte Aufbruchstimmung erzeugt. Die Hoffnung des VfL, auch diesmal dem Abstieg zu entgehen, stützt sich jedenfalls weniger auf die eigene Stärke als auf die vergleichbare Schwäche mindestens drei, vier weiterer Kellerkinder.

Vermutlich schon verabschiedet aus dem Kreis der Abstiegskandidaten hat sich der FSV Mainz 05, der nach dem 1:0 über Nürnberg mit 21 Punkten (Bayern hat 20!) nach nur zwölf Spieltagen bereits mehr als die halbe Miete eingefahren hat. Dass Trainer-Neuling Thomas Thuchel als sein großes Vorbild Ralf Rangnick nennt, ist offenbar kein Zufall.

Rangnick wiederum musste nach einem Zwischenhoch mit Hoffenheim einen kleinen Rückschlag verdauen: Statt auf Platz zwei fanden sich die letztjährigen Höhenflügler nach dem 1:2 gegen Wolfsburg nur auf Platz sieben wieder. Bei Wolfsburg dagegen zeigt der Trend inzwischen wieder eindeutig nach oben.

An der Spitze ist Bayer Leverkusen nach dem eindrucksvollen 4:0 über Eintracht Frankfurt auch durch Werder Bremen (Sonntag gegen Dortmund) und den HSV (in Hannover) nicht mehr zu verdrängen. Es ist die bisher vielleicht pikanteste Note der Saison: Während sie in München mit Louis van Gaal nicht glücklich werden, schickt sich ausgerechnet der in der vergangenen Spielzeit als Bayern-Helfer in der Not eingesprungene Jupp Heynckes an, mit Leverkusen Großes zu erreichen. Auch darüber dürften die Bayern-Bosse in diesen Tagen nachdenken ...