Berlin. Am Beispiel des Rauswurfs von Lucien Favre in Berlin zeigt sich, wie reflexartig und unsachlich eine Problemdiskussion geführt wird. Die Trainersuche gleicht - wie immer - einer willkürlichen Lotterie. In der Verlosung fällt - wie auch fast immer - der Name Lothar Matthäus.

Es ist die Balkenpresse des Springer-Verlages, die glaubt, eine perfekte Lösung zu haben. „Matthäus wäre genial“, schreibt die Bild-Zeitung am Tag danach. „Matthäus spricht schon von Berlin“, titelt die BZ. Einen Beweis dafür, dass Hertha BSC Interesse an dem Rekordnationalspieler hat, liefern die Blätter nicht, sie haben nicht mal ein Indiz. Ihre Positionierung ist leicht zu durchschauen: Mit der Plaudertasche Lothar Matthäus hätte der Berliner Boulevard mehr Spaß als mit dem abwägenden und besonnenen Lucien Favre.

Absurde und scheinheilige Debatte

Es ist ein kurzer Auszug aus einer absurden und scheinheiligen Debatte, die zurzeit in der Hauptstadt geführt wird. Der Trainer Favre, der das Profil Herthas in den vergangenen Jahren geprägt hat wie kein anderer, war vier Monate nach einem sensationellen vierten Platz in der Bundesliga schon nichts mehr wert. Am Montagabend wurde der Schweizer freigestellt. Wie immer diente Erfolglosigkeit als Begründung: Die Berliner sind Letzter, sie haben sechs Mal in Serie verloren, zuletzt mit neun Gegentoren in zwei Partien. „Es ist mir nicht leicht gefallen, aber ich musste eine Entscheidung im Sinne von Hertha BSC treffen“, sagte Manager Michael Preetz, er habe keine andere Wahl gehabt. Stimmt das wirklich?

Hat sich mit dem Favre-Rauswurf für die einfachste Lösung entschieden: Hertha-Manager Michael Preetz. (Foto: ddp)
Hat sich mit dem Favre-Rauswurf für die einfachste Lösung entschieden: Hertha-Manager Michael Preetz. (Foto: ddp) © ddp

Am Beispiel Favre zeigt sich, wie reflexartig, hysterisch und unsachlich eine Problemdiskussion geführt wird, in einer millionenschweren Branche, die gern von sich behauptet, sie sei komplex und vielschichtig. Favre hat sich in seiner Heimat und auch in den zwei Jahren in Berlin als Meister von Trainingsmethodik, Analytik, Taktik bewährt. 34 Profis verließen den Verein seit Favres Antritt, 31 kamen hinzu. Diese Kompetenz wird ihm nun, gemessen an zweieinhalb düsteren Monaten, komplett abgesprochen. Schließlich, so lautet der Hauptvorwurf, habe der 51-Jährige seine Mannschaft nicht verstärken können. Wie aber hätte das funktionieren sollen für einen hoch verschuldeten Klub, der in Andrej Woronin, Marko Pantelic und Josip Simunic seine drei wichtigsten Spieler verloren hat? Einzig Pantelic hätte Favre halten können, doch der Coach, der auf Teamgeist setzt, war die Eskapaden des Serben Leid. Favre wahrte Haltung, blieb seinen Prinzipien treu.

Einfachste Lösung

Hertha BSC hat die einfachste Lösung gewählt, der Verein sucht für seine aufmüpfigen und hoch bezahlten Angestellten einen neuen Animateur. Michael Preetz, der nach Jahren des Wartens im Sommer den Managerposten von Dieter Hoeneß übernehmen durfte, fürchtet wohl um seine Stellung, ein frühes Scheitern würde seine Karriere nachhaltig schädigen.

Nun also zurück auf Anfang. Hertha BSC steht vor einer großen Herausforderung, vermutlich wird Karsten Heine, Trainer der Hertha-Amateure, das Team in der Europa-League am Donnerstag bei Sporting Lissabon und am Sonntag in der Liga gegen den Hamburger SV betreuen. Danach ist wegen der WM-Qualifikation zwei Wochen Pause. Zeit genug, um öffentlich eine Trainersuche zu begleiten, die wie immer einer willkürlichen Lotterie gleicht. Erster Favorit, an den niemand glaubt: Lothar Matthäus.