Dortmund/Essen. Ralf Bockstedte klagt in Dortmund gegen die neue Regularien für Spielerberater. Der Jurist hat gute Chancen auf einen Erfolg.
Eigentlich hat man als Anhänger des VfL Bochum mit der Thematik nicht ganz so viel zu tun: 878.000 Euro zahlte der Klub laut den jüngsten verfügbaren Zahlen in einer Saison für Spielervermittler. Im Vergleich ist das eine lächerlich niedrige Summe, Bochum ist damit klar Schlusslicht der Fußball-Bundesliga, Spitzenreiter Borussia Dortmund zahlte das 40-fache.
Aber Gerhard Klumpe ist ja nicht nur Fan des VfL, er ist auch Vorsitzender Richter am Landgericht Dortmund und mit seiner 8. Kammer zuständig für Kartellrecht. Und in dieser Funktion hat er nun ziemlich viel mit Spielerberatern zu tun – und mit der Frage, ob und wie die Branche reguliert werden darf.
Genau das versucht der Fußball-Weltverband Fifa aktuell, er hat ein neues Reglement für Spielervermittler erarbeitet, das im Januar provisorisch in Kraft trat und ab Oktober vollständig gelten soll. Es enthält eine Lizenzpflicht für Berater samt Prüfung – ein Multiple-Choice-Test mit 20 Fragen zu Transferregeln und Zivilrecht, bei dem im ersten Anlauf rund die Hälfte aller Bewerber scheiterte.
Fifa will Regularien für Spielerberater
Das ist aber nicht der wesentliche Grund, warum die Beraterszene in Aufruhr ist. Die Fifa will den Agenten auch ans Geld: Künftig soll eine Obergrenze bei Provisionen gelten, die maximal drei Prozent des Spielergehalts oder zehn Prozent der Transfersumme betragen soll. Aktuell sind deutlich höhere Sätze üblich.
Die Kritik ist groß. Zwar sehen viele Gegner der neuen Regeln, dass die Beraterbranche besser reguliert gehört. Der Markt ist gewaltig. Die 18 deutschen Bundesligisten schütteten in der Saison 2020/21 fast 200 Millionen Euro aus, allein bei internationalen Transfers flossen laut Fifa zuletzt weltweit rund 600 Millionen Euro – insgesamt sind es wesentlich mehr.
Das Geld versickert nicht selten in Offshore-Firmen oder anderen dunklen Kanälen. Die Art und Weise, wie die Fifa vorgeht, stößt aber auf Unmut.
„Ich bin auch Jurist, ich halte mich an Recht und Ordnung. Und niemand hat das Recht, durch solche Bestimmungen den Markt zu regulieren“, sagt Ralf Bockstedte im Gespräch mit dieser Redaktion. Der Essener Anwalt ist zwar Mitglied im Vorstand der Deutschen Fußballspieler-Vermittler-Vereinigung, ansonsten aber eher ein kleiner Fisch im großen Beraterteich.
Klage vor dem Dortmunder Landgericht
Und doch nimmt er es nun mit dem Weltverband auf: Bockstedte hat vor dem Dortmunder Landgericht gegen das neue Reglement geklagt. Im Duell David gegen Goliath sind seine Chancen aber nicht schlecht.
Auch an anderen Orten sind Klagen anhängig – es gibt sie in der Schweiz, in Frankfurt und in Mainz. Der Dortmunder Fall aber wird in der Szene besonders beobachtet, weil es sich um ein Eilverfahren handelt. Es wird bald eine erste Entscheidung fallen: Für den 25. Mai ist ein Verkündungstermin angesetzt.
Richter Klumpe hegt Zweifel an der Fifa
Doch schon während der Verhandlung schimmerten beim Vorsitzenden Richter Klumpe Zweifel an der Argumentation der Fifa durch. Angriffspunkt für Bockstedte und die übrigen Kläger ist das Kartellrecht, mit dem es im Sport so eine Sache ist.
Denn die meisten Verbände haben zweifellos eine marktbeherrschende Stellung, die sie nutzen, um bestimmte Regeln aufzustellen. In seinem berühmten Meca-Medina-Urteil entschied der Europäische Gerichtshof einst, dass das auch in Ordnung ist – wenn die Regeln eng mit dem Sport verbunden sind und ein legitimes Ziel verfolgen.
„Da sprechen wir etwa über die Größe des Spielfelds oder die Zahl der Spieler – das gehört unmittelbar zum Sport und ist dem Kartellrecht entzogen“, sagt Klumpe während der Verhandlung. Bei der Frage der Beraterhonorare aber sei man „einen nicht unerheblichen Schritt von der ganzen Geschichte entfernt“, meint er. „Ist das jetzt wirklich noch der sportliche Bereich?“
Auch mit den Gründen für das neue Reglement können die Fifa-Anwälte kaum überzeugen. Dass es zur Förderung des sportlichen Gleichgewichts beitragen oder gar die Gleichberechtigung von Spitzen- und Breitensport fördern soll, kann Richter Klumpe nicht nachvollziehen.
Bockstedte geht die Hutschnur hoch
Bockstedte gibt sich verärgert: „Die Fifa gibt sich als Gutmensch, da geht mir die Hutschnur hoch“, sagt er. „Denn gleichzeitig vergibt sie eine Weltmeisterschaft nach Katar, verbietet die Regenbogen-Kapitänsbinde und tut auch kaum etwas für das Thema Inklusion.“
Außerdem stört ihn das Bild, das von seiner Branche gezeichnet wird: „Die Berater werden auch von der Fifa als die größten Verbrecher dargestellt, das ist natürlich falsch“, meint er. „Schwarze Schafe gibt es überall, aber die meisten Berater arbeiten sehr seriös. Ohne uns säßen die Spieler ganz alleine einem ganzen Konzern mit einer Rechtsabteilung und einer Finanzabteilung gegenüber. Wir stellen ein Gleichgewicht her.“
Nicht alle Berater scheffeln das große Geld. Michael Frank, der mit Bockstedte klagt, müsste seine Firma wohl schließen, wenn die neuen Regeln kämen, erzählt er dem Gericht unter Tränen: „Berater sind eben nicht nur die großen Agenturen, die vielleicht mit drei Prozent Provision arbeiten können.“