Dortmund. Das 1:0 gegen Chelsea im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League zeigt: In Dortmund drängt die nächste Generation in tragende Rollen
Edin Terzic antwortete mit einem Geräusch: „Meep meep“, machte der Trainer von Borussia Dortmund, als er auf Karim Adeyemi angesprochen wurde. „Meep meep“, so wie der Roadrunner, die Zeichentrickfigur, die dank ihrer wahnwitzigen Geschwindigkeit dem Kojoten stets ein Schnippchen schlägt, obwohl der immer wieder mit ausgeklügelten Fallen und Geräten die Verfolgung aufnimmt.
Adeyemis besonderer Moment in der Champions League
Und so war es ja am Mittwochabend auch in Dortmund gewesen: Dem BVB war ein hochgerüsteter Gegner gegenübergetreten, nämlich der FC Chelsea, der seine Mannschaft in dieser Saison bislang für über 600 Millionen Euro verstärkt hat. Doch der scheinbar übermächtige Kontrahent musste sich am Ende 0:1 (0:0) geschlagen geben, geschlagen durch das irrwitzige Tempo von Karim Adeyemi.
Der Nationalspieler hatte in der 63. Minute seinen großen Moment: Ein Eckball flipperte durch den Dortmunder Strafraum, wurde abgewehrt – zu Adeymi.
Der nahm die Kugel perfekt mit, sprintete noch hinter der Mittellinie los und hatte nur einen Gegenspieler zwischen sich und dem Strafraum: Enzo Fernandez, frisch gekürter Weltmeister und in diesem Winter für 121 Millionen Euro verpflichtet. Aber das war in diesem Moment eben nur eine Zahl. „Daran habe ich überhaupt nicht gedacht“, sagte Adeyemi später. „Ich habe einfach nur gedacht, dass ich an ihm vorbei muss.“ Das gelang fast spielerisch, weil Fernandez Adeyemis Tempo nicht im Ansatz gewachsen war. Und der umkurvte noch Torhüter Kepa und schob ein. „Das hat er herausragend gut gemacht“, lobte Sportdirektor Sebastian Kehl.
So gut, dass am Ende auch die Kür zum Spieler des Tages stand. Und so ließ sich die Geschichte des Abends hervorragend anhand von Karim Adeyemi erzählen. Es war keine fußballromantische „Geld schießt keine Tore“-Geschichte, für Adeyemi hatte der BVB im Sommer ja auch immerhin 30 Millionen Euro hingeblättert. Nein, es war die Geschichte eines Klubs, der gerade dabei ist, sich neu zu erfinden.
Kehl lobt das Engagement
Dabei hatte der BVB „schon bessere Spiele gemacht“, wie Sportdirektor Kehl einräumte. „Aber die kämpferische Leistung, das Engagement, die Bereitschaft, füreinander da zu sein – das war heute herausragend gut.“ Und auch das zeigte sich in der Person Karim Adeyemi: Er zauberte nicht nur, er schoss nicht nur das Tor des Tages, sondern er ackerte auch unermüdlich in der Defensive – sodass er nach 79 Minuten mit Krämpfen ausgewechselt werden musste.
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Nicht weniger stark präsentierte sich Julian Brandt, umgeben von sehr vielen sehr teuren Stars des FC Chelsea war er der stärkste Mittelfeldspieler auf dem Platz. Auch Brandt hatte ja eine gewisse Anlaufphase in Dortmund gebraucht, hatte drei wechselhafte Jahre erlebt – spielt dafür schon seit Sommer bärenstark auf.
Für andere bleibt da weniger Platz – und so manche, die es bislang gewohnt waren, als Fixpunkte zu agieren, finden sich plötzlich in der ungewohnten Rolle des Zuschauers wieder – zuvorderst die beiden Kapitäne Marco Reus und Mats Hummels. Innenverteidiger Hummels bringt es in der Rückrunde bislang auf ganze fünf Einsatzminuten in der Bundesliga und musste auch gegen Chelsea zusehen. Offensivspieler Reus saß erstmals während seiner zehneinhalb Jahre beim BVB über 90 Champions-League-Minuten nur auf der Bank. „Es tut mir natürlich brutal leid“, sagte Trainer Edin Terzic – verwies aber darauf, dass seine Mannschaft ihm schlicht keinen Anlass gegeben habe, mehrfach zu wechseln.
Terzic hat nun einen breiten Kader zur Verfügung, kann das Leistungsprinzip uneingeschränkt umsetzen – und dem fallen auch die prominentesten Mitglieder des Kaders zum Opfer. Anstelle von Reus spielte gegen Chelsea Salih Özcan, der längst nicht das spielerische Niveau des Kapitäns erreicht, aber mit deutlich mehr Zweikampfhärte das Zentrum besser absicherte.
Arbeit statt Zauberei beim BVB
Auch das ist Teil des Wandels beim BVB: In den vergangenen Jahren galt oft das Primat des schönen Spiels, da zauberte die Mannschaft feinste Angriffe auf den Rasen, vergaß aber das Toreschießen und Verteidigen. Nun wird der Kämpfer Özcan dem Ästheten Reus vorgezogen, nun rackert der Fußballarbeiter Marius Wolf auf der rechten Abwehrseite und der Abräumer Emre Can grätscht sich durchs Mittelfeld.
Fußball wird aktuell mindestens so sehr gearbeitet wie gespielt, auch deswegen ist der BVB seit der Winterpause beeindruckend konstant – und für die besonderen Momente hat er ja immer noch seinen Roadrunner.