Manchester. Nach langem Anlauf ist Manchester City unter dem Startrainer Pep Guardiola stark wie nie. Im Halbfinale der Champions League geht's gegen PSG.
Pep Guardiola hat die Fußballwelt gerade wieder einmal daran erinnert, dass er ein Seriensieger ist. Nach dem überlegenen 1:0-Erfolgs seiner Mannschaft im Finale des englischen Ligapokals gegen Tottenham Hotspur streckte der Trainer von Manchester City vier Finger in die Luft – als Zeichen dafür, dass er die Mannschaft zum vierten Mal nacheinander zum Triumph in diesem Wettbewerb geführt hat. Guardiola legt Wert darauf, dass diese Leistung anerkannt wird, alles andere empfände er als despektierlich seinen Spielern, dem Trainerteam und ihm selbst gegenüber. Doch die Wahrheit ist natürlich, dass er an anderen Erfolgen gemessen wird als am Ligapokal.
Auch interessant
Selbst die Premier-League-Meisterschaft, die Manchester City in Kürze zum dritten Mal in fünf Jahren unter dem ehemaligen Bayern-Trainer sicherstellen wird, reicht nicht als Maßstab für sein Wirken bei dem seit 2008 aus Abu Dhabi verschwenderisch finanzierten Traditionsklub. Erst mit dem Gewinn der Champions League wäre Guardiolas Werk in England komplett. Die Chancen darauf sind in dieser Saison so gut wie nie. Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt 2016 (und zum zweiten Mal insgesamt) steht Manchester City im Halbfinale, Gegner ist heute Paris Saint-Germain (21 Uhr/Sky), ebenfalls mit arabischen Millionen aufgepumpt.
Manchester City ist ohne Stürmer erfolgreich
Guardiola äußert sich zurückhaltend zur Bedeutung der Königsklasse, aus zwei Gründen. Erstens ist seine Obsession für den Wettbewerb bekannt, den er als Trainer zweimal mit dem FC Barcelona gewann, 2009 und 2011. Und zweitens wird ohnehin genug geredet. Gary Neville zum Beispiel, Ex-Profi von Manchester United und anerkannter TV-Experte in England, pries Guardiola gerade als „größten Trainer aller Zeiten“ und sagte mit Blick auf die Champions League: „Er kann Manchester City nicht verlassen, ohne diesen Wettbewerb zu gewinnen.“ Und dass der Klub reif dafür ist, davon ist man in England überzeugt.
Guardiola hat seine Mannschaft neu erfunden, er hat ein Manchester City 2.0 geschaffen nach der enttäuschenden Vorsaison mit 18 Punkten Rückstand in der Liga auf Meister FC Liverpool. Grundlage sind immer noch Ballbesitz und Kontrolle, allerdings schnürt die Mannschaft den Gegner oft nicht mehr wie gewohnt ein, sondern spielt verhaltener, defensiver. In dieser Saison reichen deshalb weniger Tore pro Spiel (aktuell 2,1) zum Titel als bei Guardiolas bisherigen beiden Meisterschaften 2018 und 2019. Ein weiterer Beleg für den neuen Fokus auf die Defensive ist die Tatsache, dass der wichtigste Mann im Team Abwehrchef Rúben Dias ist. Er kam zu Saisonbeginn für fast 70 Millionen Euro von Benfica und hat die Lücke geschlossen, die Vincent Kompany fußballerisch und als Führungskraft bei seinem Abschied vor zwei Jahren hinterlassen hatte.
Phil Foden gilt aktuell als formstärkster Spieler Englands
Am anderen Ende des Spielfelds ist bemerkenswert, dass Manchester City mittlerweile ohne Stürmer auskommt. Rekordtorjäger Sergio Agüero ist in seiner letzten Saison bei dem Klub wegen seines Alters von 32 Jahren und ständiger Ausfälle nur eine Randfigur, seinem Ersatz Gabriel Jesus vertraut Guardiola nicht voll. Oft setzt der Trainer deshalb auf eine falsche Neun, zuletzt im Ligapokal-Finale gegen Tottenham Hotspur, als Phil Foden diese Position einnahm. Der 20 Jahre alte Absolvent der eigenen Akademie hat in dieser Saison den Durchbruch geschafft, gilt aktuell als formstärkster Spieler Englands und war mit zwei Toren an den 2:1-Erfolgen im Champions-League-Viertelfinale gegen Borussia Dortmund beteiligt. Apropos Dortmund: Ex-BVB-Profi Ilkay Gündogan ist in dieser Saison in neuer, vorgezogener Rolle überraschend Manchester Citys bester Torschütze.
Auch interessant
Viele Beobachter halten Guardiolas teuer zusammengestelltes Ensemble für die beste Mannschaft Europas und den natürlichen Anwärter auf den Champions-League-Sieg. Das Problem ist nur, dass das in den vergangenen Jahren genau so war, trotzdem war einmal im Achtel- und dreimal nacheinander im Viertelfinale Schluss – auch, weil sich Guardiola jeweils mit seiner Aufstellung und seiner Taktik verzettelt hatte. Das Halbfinale gegen Paris Saint-Germain ist international der größte Erfolg seiner Amtszeit, aber es stellt auch die bisher größte Prüfung dar. Zeit, zu zeigen, dass der Trainer wirklich ein Seriensieger ist.