Essen. Vor einem Jahr stand das Spiel zwischen Hoffenheim und Bayern vor dem Abbruch. Der TSG-Mäzen war beleidigt worden. Fans fordern Mitspracherecht.

Die Bilder liefen rauf und runter: Bundesliga-Profis von Bayern München und der TSG Hoffenheim schoben sich den Ball locker am Mittelkreis hin und her, Karl-Heinz Rummenigge und Dietmar Hopp standen im Regen und applaudierten. Sie werteten dies als Zeichen der Solidarität. Zuvor hatte die Partie kurz vor dem Abbruch gestanden, weil Bayern-Ultras auf Plakaten TSG-Mäzen Hopp, für Fans ein Sinnbild für Kommerzialisierung, beleidigt hatten. Das ist nun ein Jahr her.

Es waren heikle Wochen im Fe­bruar des vergangenen Jahres. Viele Fans hatten sich vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) hintergangen gefühlt. Der DFB hatte die auf Wunsch von Fans abgeschafften Kollektivstrafen wieder eingeführt, nachdem Fans von Borussia Dortmund ihr Feindbild Hopp beleidigt hatten. Daraufhin solidarisierten sich Anhänger anderer Klubs mit denen des BVB und provozierten Spielunterbrechungen durch beleidigende Banner oder Gesänge.

Corona unterbrach den Konflikt

Dass Funktionäre diese Proteste in Zusammenhang mit den rassistisch motivierten Morden von Hanau brachten und die Schiedsrichter bei Hopp-Schmähungen das Protokoll für Rassismus-Vorfälle im Stadion angewendet hatten, verschärfte die Debatte. In Sinsheim erreichte der öffentliche Konflikt seinen Höhepunkt, ehe die Corona-Pandemie mit ihren Geisterspielen – das erste war das rheinische Derby zwischen Köln und Gladbach am 11. März – ihn abrupt abbrach.

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Doch im Hintergrund köchelte die Auseinandersetzung zwischen Fans und Funktionären, die bei den Hopp-Protesten so eklatant offensichtlich wurde, weiter. Es geht auch um ein Mitspracherecht, das Fans einfordern, wenn es um die Zukunft ihres geliebten Sports geht. Oder um die versprochene neue Demut des Fußballs, die nicht ersichtlich ist, wenn Klubs kreuz und quer durch Europa fliegen, um Corona-Maßnahmen zu umgehen.

„Die Signale widersprechen den Ankündigungen von Vereinen und Verbänden“, sagt Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle der Fanprojekte. Bei den Anhängern lägen diese Themen deutlicher denn je auf dem Tisch, sie wollen nun gehört werden. „Die Funktionäre wissen, dass in den vergangenen Jahren viel Vertrauen verloren gegangen ist“, sagt Gabriel. „Dies langfristig zurückzugewinnen, ist eine ziemlich große Aufgabe, die nun angegangen werden muss.“

Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge (links) stand Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp ausdrücklich zur Seite.
Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge (links) stand Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp ausdrücklich zur Seite. © dpa

„Die DFL will nicht ans Eingemachte gehen“

Es gab ja schon erste Ansätze. Die Fan-Rückkehr und Karten-Verteilung im Sommer wurde von den Klubs transparent kommuniziert. Es bildete sich zudem das Fan-Bündnis „Unser Fußball“, das gemeinsam mit Verbänden den Sport nachhaltiger gestalten will. Oder die von der DFL eingesetzte „Taskforce Zukunft Profifußball“, deren erste Ergebnisse die Fans jedoch eher enttäuschten. Es geht zwar voran – aber nicht so schnell wie erhofft. „Die DFL will nicht ans Eingemachte gehen“, heißt es in einer Stellungnahme von „Unser Fußball“: „Es fehlt nach wie vor der von einer halben Million Fußballfans geforderte Grundsatzbeschluss zur substanziellen Veränderung.“

Von den Vereinen hätte sich Ga­briel in der Krise zusätzlich eine proaktivere Kommunikation mit den Fans gewünscht. „Für Menschen aus allen Generationen ist Fußball ein wichtiger emotionaler Lebensinhalt“, meint er. „Da ist jeder Kontakt, jedes Signal vom Lieblingsverein, mit dem vermittelt wird, dass sie vermisst werden, bedeutsam. Insgesamt ging mir das alles auf vielen Ebenen doch recht schnell ins Business as usual über.“

Herausforderungen im Fußball bleiben

Dennoch setzt er große Hoffnungen in die neugebildeten Strukturen, die erstmals einen Dialog ermöglichen. Die Herausforderungen der Zukunft werden nicht kleiner: „Auf die kommerziellen Dynamiken im europäischen Fußball braucht es mit Blick auf die Fans und die Taskforce natürlich Antworten des deutschen Fußballs.“

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Doch: Wie wird sich die Fankultur während der Pandemie verändern? Was ist von dem jahrzehntelang aufgebauten Gefüge überhaupt noch übrig, wenn die Geisterspiele Geschichte sind? Noch ist die Antwort darauf höchst spekulativ.

Insgesamt beobachtet Gabriel bei den allermeisten Fans „eine große Sehnsucht“. Aber: Ein Großteil der Fans sei den Dialog oder Diskurs mit den Verbänden bereits leid, schreibt das Bündnis „Unser Fußball“. Denn letztlich würden die Verbände ohnehin „alleine entscheiden“. Es droht eine noch stärkere Entfremdung.