Berlin. Hertha BSC macht Ex-Coach Pal Dardai erneut zum Cheftrainer. Der Ungar steht in Westend vor einer kniffligen Rettungsmission.

Viel Zeit blieb nicht. Am Sonntag wurde Pal Dardai (44) von Herthas neuen Machern zu einem Gespräch gebeten – Hauptgeschäftsführer Carsten Schmidt und Sportdirektor Arne Friedrich fragten den Ungarn, ob er nach der Beurlaubung von Bruno Labbadia bereit wäre, auf den Cheftrainer-Stuhl des Fußball-Bundesligisten zurückzukehren. Es folgten eine Beratung mit Ehefrau Monika und eine nicht ganz einfache Verhandlung, ehe die Klub-Ikone am Montagmittag das „Go“ gab. Um 14.51 Uhr folgt auf Herthas Twitter-Kanal die offizielle Bestätigung: Dardai ist wieder da.

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Ähnlich wie bei seinem ersten Amtsantritt im Februar 2015 soll er die Berliner aus der Krise führen. Überraschend kam die Entscheidung nicht mehr, wohl aber die Laufzeit der Vereinbarung. Anders als von der Klubführung präferiert, übernimmt der alte und neue Coach bis Sommer 2022. Ein Kompromiss, für den es gute Gründe gibt (siehe Kommentar rechts).

Hertha: "Zecke" Neuendorf unterstützt Pal Dardai

Als Co-Trainer wird Dardai, der zuletzt Herthas U16 betreute, ein alter Teamkollege aus Profi-Tagen zur Seite stehen: Andreas „Zecke“ Neuendorf (45), bislang Coach der U23. Darüber hinaus gehören Torwarttrainer Zsolt Petry sowie die Fitnesstrainer Henrik Kuchno und Hendrik Vieth zu Dardais Team – Weggefährten, mit denen er schon bei seinem ersten Cheftrainer-Engagement zusammenarbeitete. „Das war sicher nicht mein Plan, dass ich nun wieder von der U16 auf die Trainerposition bei den Profis wechseln werde“, wurde Dardai auf Herthas Internetseite zitiert, „aber ich brauche auch niemandem zu erklären, was Hertha BSC für mich bedeutet.“ Fürwahr.

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Nachdem ihn der damalige Manager Michael Preetz 2019 von seinen Aufgaben entbunden hatte, lehnte Dardai diverse Offerten im Profi-Bereich ab. Stattdessen widmete er sich wieder der Jugendarbeit seines Herzensvereins und ließ die große Bühne große Bühne sein. Dass er nun, eineinhalb Jahre nach seiner Demission, ins Rampenlicht zurückkehrt, ist eine saftige Pointe. Seinerzeit war man bei Hertha schließlich der Meinung, Dardai könne die Mannschaft nicht mehr weiterentwickeln, dabei hatte er dem Klub die erfolgreichste Phase der vergangenen Dekade beschert. Seither wurden vier Trainer verschlissen und über 100 Millionen Euro in neue Spieler investiert. Gebracht hat es nichts.

Dardai passt in das derzeitige Anforderungsprofil

Seit Dardais Abschied dümpelt der Klub trotz aller Ambitionen in der unteren Tabellenregion umher. Schmidt und Friedrich setzen mit dem krisenerprobten Coach auf eine unkomplizierte und zugleich sichere Option. Herthas Rekordspieler (286 Bundesligaspiele) ist tief im Klub verwurzelt, er verfügt über die nötige Erfahrung und passt genau ins derzeitige Anforderungsprofil. „Wir suchen jemanden, der Mannschaften zusammenschweißen kann und das in einer Abstiegskampf-Situation Woche für Woche leisten kann“, hatte Schmidt am Sonntag erklärt. Sein Statement am Montag klang hoffnungsvoll. „Wir sind davon überzeugt, dass Pal der Mannschaft mit seiner klaren Art den nötigen neuen Impuls gibt.“

Wo der Fußball-Lehrer nun ansetzen wird? Wohl dort, wo die größten Lücken klaffen – in der Verteidigung. Dardais erstes Augenmerk dürfte darauf liegen, die bislang viel zu großen Abstände zwischen Spielern und Mannschaftsteilen zu verkleinern und eine kompakte Defensive zu bauen. Wo Labbadia auf spielerische Lösungen hoffte, wird Dardai wohl zunächst die Stabilität forcieren. Ein Profiteur könnte der bissige Sechser Santiago Ascacibar sein, der bei Labbadia kaum Chancen bekam – auch wegen hoher Ausfallzeiten. Aktuell ist der Defensiv-Experte jedoch fit und könnte dem Team eine Extraportion an Leidenschaft, Willen und Galligkeit verleihen.

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Im Vergleich zu seiner ersten Episode als Hertha-Chefcoach findet Dardai völlig neue Möglichkeiten vor. Mit hochveranlagten Individualisten wie Matheus Cunha, Mattéo Guendouzi oder Dodi Lukebakio strotzt der Kader vor Potenzial. Für den Trainer wird es darum gehen, aus dem vorhandenen Einzelkönnern endlich ein Team zu formen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, an der der noch erfahrenere Labbadia gescheitert ist.

Helfen soll ihm dabei Neuendorf, der 2017 Herthas U17 übernahm, ehe er 2019 zum Trainer der U23 aufrückte. Das Berliner Original punktete dabei nicht nur mit fußballerischem Sachverstand, sondern vor allem mit seiner kernigen Ansprache. Neben seinem Trainerjob absolviert er derzeit die Ausbildung zum Fußball-Lehrer.

Mit dem Trio Dardai, Neuendorf und Friedrich verfügt Hertha nun wieder über jede Menge Stallgeruch. In Fan-Kreisen genießen die drei Ex-Profis große Wertschätzung, allerdings stehen ihre Namen nicht für die erhoffte große Lösung. Jene schien aktuell nicht greifbar. Mit Ralf Rangnick hat es dem Vernehmen nach lediglich einen losen Austausch gegeben. Der Schwabe verfolgt anderweitige Pläne. Stattdessen ruhen die Hoffnungen nun einmal mehr auf den Schultern von Pal Dardai. Am Dienstag wird er erstmals das Training der Profis leiten, am Sonnabend (15.30 Uhr) folgt der erste Ernstfall. Dann ist Hertha bei Eintracht Frankfurt zu Gast. Auch hierbei gilt: Viel Zeit bleibt nicht.