Lissabon/München. Der Münchener Triple-Erfolg: Torwart Neuer, Torschütze Coman und Kimmich verleihen dem FC Bayern ein Gefühl der Unbesiegbarkeit.

Die Frage, welches Bild denn nun das eindrücklichste gewesen sei, ließ sich kaum beantworten. Eine Flut an Eindrücken vom FC Bayern war ja schon am späten Sonntagabend um die Welt gegangen. Und was waren tags darauf darunter auch teils seltsam anmutende Aufnahmen: beispielsweise die vom Champions-League-Sieger, der am Nachmittag wieder in München landete und direkt vom Vorfeld aus mit Bussen abtransportiert wurde. Wenn es einen Gegner gab, von dem sich der deutsche Fußball-Rekordmeister in dieser Saison hat dominieren lassen müssen, dann war es das Coronavirus. Ja nur keine Massen an Fans provozieren, die gegen die Hygieneregeln verstoßen würden – so kurios diese Spielzeit war, so außergewöhnlich waren die Feierlichkeiten nach dem zweiten Münchener Triple nach 2013.

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Und so prägten sich doch die Bilder vom Sonntag aus dem Estádio da Luz in Lissabon am nachhaltigsten ein. Aus jenem Stadion des Lichts, das nun wie Wembley beim FC Bayern immer in besonderer Erinnerung bleiben wird. Vor sieben Jahren hatten die Münchener in London unter Trainer Jupp Heynckes ihr erstes Triple auf den Weg gebracht, als Arjen Robben zum 2:1 gegen Borussia Dortmund traf. Nun gelang den Bayern der zweite Dreifach-Triumph – Meisterschaft, DFB-Pokal und Königsklasse – ihrer 120-jährigen Geschichte. Und nicht nur Chefcoach Hansi Flick lieferte nach dem 1:0 (0:0) gegen Thomas Tuchels Paris St.-Germain Bilder für die Ewigkeit, sondern auch Flicks Co-Trainer Hermann Gerland, wenn auch eher unfreiwillig.

Thiago verabschiedet sich in Richtung Liverpool

Thiago, der voraussichtlich letztmals für den FC Bayern gespielt hatte und sich wohl zu Jürgen Klopps FC Liverpool verabschieden wird, drückte dem „Tiger“ Gerland einen innigen Kuss auf den Hals. Zu sehen war auch, wie Joshua Kimmich und Serge Gnabry, Jugendfreunde seit der Zeit beim VfB Stuttgart und Teil der Jahrgänge 1995/96 (neben ihnen noch Leon Goretzka, Leroy Sané und Niklas Süle), die im Verein und im Nationalteam eine Ära prägen sollen, eng nebeneinander auf dem Rasen lagen und glückselig in den Nachthimmel blickten. Kimmich verspürte sogar „ein geiles Gefühl der Unbesiegbarkeit“. Und dann war da das Bild, wie Flick Kingsley Coman herzte, ihn zu dessen Tor zum Triple beglückwünschte. Vereint waren dabei zwei Hauptdarsteller des Finals, in dem eine unglaubliche Geschichte mit einer kitschigen Pointe versehen wurde.

Triste Rückkehr: Der FC Bayern am Montag am Flughafen, aber ohne Fans.
Triste Rückkehr: Der FC Bayern am Montag am Flughafen, aber ohne Fans. © dpa | Peter Kneffel

Die Geschichte von Flick, 55, nach der 1:5-Niederlage in Frankfurt im November von Niko Kovacs Assistenten zum Cheftrainer befördert. Von ihm hatte zu Saisonbeginn niemand erwartet, dass er die Münchener zum Triple anleiten würde. Es folgten 33 Siege in 36 Pflichtspielen unter seiner Regie. Gekrönt davon, als erstes Team alle Spiele in der Champions League gewonnen zu haben. Daher sagte Flick: „Tausend Dank, Männer! Ich habe noch nie so eine Mannschaft trainiert.“

Coman trifft gegen seinen Ex-Klub Paris: „Der schönste Tag meines Lebens“

Und die Geschichte von Coman. Von dem 24-Jährigen, genannt King und überraschend für Ivan Perisic in der erstmals nach drei Spielen veränderten Startelf, hatte vor dem Finale kaum jemand erwartet, dass er dem Kitsch die Krone aufsetzen könnte. Nun traf er nach Kimmichs Flanke mit dem Kopf (59.) gegen jenen Gegner aus seiner Geburtsstadt Paris, bei dem er ausgebildet wurde, ehe er über Juventus Turin 2015 nach München kam. „Ein unglaublicher Abend“, so Coman, es sei „der schönste Tag meines Lebens, was den Fußball angeht.“

Flick, Coman – es gab in diesem mehr wegen der Pandemie-Umstände als wegen der sportlichen Klasse denkwürdigen Finale noch einen weiteren Münchener Helden: Manuel Neuer. Der Bayern-Kapitän hatte immensen Anteil am Titel, den er ja auch schon in London gewonnen hatte. „Das ist ein bisschen Wettbewerbsverzerrung“, sagte Tuchel mit einem Augenzwinkern. „Manu ist zum falschen Moment in absoluter Topform. Er hat das Torwartspiel auf ein neues Niveau gehoben, spielt wieder auf seinem allerhöchsten Niveau – leider für uns.“ In der Tat: Der 34 Jahre alte Nationaltorhüter rettete zweimal gegen Neymar, hielt auch gegen Angel Di Maria, wehrte den Schuss von Marquinhos ab und hatte am Ende das nötige Glück, als Eric Maxim Choupo-Moting knapp verzog. Ob es das beste Spiel seiner Karriere gewesen sei, wurde Neuer gefragt. „Nein, ich habe ein gutes Spiel, ein super Spiel gemacht, aber das kann man so nicht sagen“, befand er.

Als Bayern der FC Hollywood war

Sie alle schrieben diese wunderbare Geschichte der neuen Münchener. In den 90er-Jahren, als es beim FC Bayern zuweilen drunter unter drüber ging, wurde der Verein FC Hollywood genannt. Nun lieferten die Münchener das perfekte Drehbuch einer außergewöhnlichen Corona-Saison und einen positiv konnotierten Nachweis dafür, dass ihr früherer Beiname noch immer passt. „Es fühlt sich unglaublich an. Der Haufen ist Wahnsinn von A bis Z“, sagte Thomas Müller. Der 30-Jährige, bereits 2013 einer der Triple-Helden von London und beim Finalturnier in Lissabon einer der stärksten Spieler, gab zu, dass der Saisonverlauf durchaus „ein bisschen schnulzig“ daherkomme. Für Müller war die Geschichte so besonders, weil Kovac ihn aussortiert hatte, ehe er unter Flick doch wieder zur Säule des Teams wurde. Müller: „Natürlich freue ich mich, dass ich zeigen konnte, dass ich nicht auf den Altglas-Container gehöre, sondern dass ich noch ein bisschen was im Tank habe.“

So viel sogar, dass Thomas Müller auch in der nächsten Saison noch mit den übrigen Bayern für Bilder sorgen will, die um die Welt gehen.