Essen. Sachsen will bald Zuschauer bei Fußballspielen erlauben. Aus der SPD gibt es daran Kritik. Ein Schrei-Verbot wird von Virologen unterstützt.
Als eines der ersten Bundesländer plant Sachsen die Rückkehr von Zuschauern bei Fußball-Spielen. Ab dem 1. September könnten bei entsprechenden Hygiene-Konzepten Fans ins Stadion gelassen werden, stellte Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) in Aussicht. Doch an den Plänen gibt es Kritik. „Es wird einfach auf Risiko gespielt in der Hoffnung, es werde noch gut gehen“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Solche Maßnahmen könnten „die perfekte Vorbereitung einer zweiten Welle im Herbst sein“.
Lauterbach weiter: „Spiele mit Zuschauern halte ich für nicht verantwortbar. Auch andere Großveranstaltungen ohne Grenze nach oben sind durch Hygienekonzepte nicht wirklich sicher zu machen. Denn die Kontaktverfolgung wird bei diesen Menschenmengen natürlich nicht gelingen“, sagte er.
Um die Sicherheit bei den Spielen zu gewährleisten, soll in Sachsen auf Anfeuerungen und Fan-Gesänge verzichtet werden „Man soll aber, wenn möglich, rufen, singen und schreien vermeiden", sagte Köpping am Dienstag.
Warum ein Verbot von Fan-Gesängen sinnvoll ist
Diese Idee hat bereits für Diskussionen gesorgt. Der niederländische Profi-Fußball plant einen Saisonstart im September. Dieser ist allerdings an strenge Auflagen geküpft. Im Stadion muss zwischen den Zuschauern ein Abstand von anderthalb Metern eingehalten werden. Und: Fan-Gesänge und Schreie sind nicht gestattet.
Das geplante Gesangsverbot sorgte im Internet für Erstaunen. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist dieses aber äußerst sinnvoll. „Tatsächlich ist es so, dass Schreie und Gesänge ein Problem sind“, sagt Professor Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Essen, im Gespräch mit dieser Redaktion. "Das hat auch das berüchtigte Spiel von Atalanta Bergamo gegen den FC Valencia gezeigt. Die meisten Infektionen haben nicht im Stadion, sondern in den Bussen stattgefunden, in denen die Fans gesungen haben.“
Champions-League.Spiel in Mailand als warnendes Beispiel
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Das Achtelfinalhinspiel der Champions League am 19. Februar in Mailand gilt als Spiel Null in der Corona-Pandemie. 42.000 Fans reisten aus Bergamo und Umgebung ins Stadion, 2500 aus Valencia. Danach stiegen die Fallzahlen in der Region rasant an.
„Singen oder Schreien lässt die Stimmbänder vibrieren“, erklärt Dittmer. „Studien zeigen, dass dadurch andere und mehr Tröpfchen freigesetzt werden als beim Sprechen. Diese Tröpfchen gelangen dann in die Luft und können viel Virus enthalten. Beispielhaft für das besondere Infektionsgeschehen sind Chöre in Kirchen oder Schlachthöfe, in denen sich die Mitarbeiter aufgrund der Lautstärke anschreien müssen.“ Zuletzt war es im Schlachthof Tönnies in Rheda-Wiedenbrück zu einem Covid-19-Ausbruch gekommen. Mehr als tausend Mitarbeiter wurden positiv getestet. Der Kreis Gütersloh befindet sich im Lockdown.
Infektionskretten wie in Schlachthöfen vermeiden
Um solche Infektionsketten in Fußball-Stadien zu vermeiden, sei auch die Einhaltung des Mindestabstands dringend erforderlich, sagt Dittmer. „Wenn die Abstandsregeln beim Einlass und im Stadion eingehalten werden, ist das Infektionsrisiko sehr gering. Wichtig ist außerdem, dass die Veranstaltungen unter freiem Himmel und nicht in geschlossenen Räumen stattfinden.“ Stadien mit geschlossen Dächern seien deshalb nicht als Austragungsort zu empfehlen.
Auch die Bundesliga hofft nach dem erfolgreichen Re-Start auf Zuschauer in der nächsten Spielzeit. Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) hatte bei der Vergabe der Medienrechte gesagt, die DFL arbeite derzeit an den Rahmenbedingungen.
Niedrige Temperaturen können Übertragung begünstigen
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Virologe Dittmer kann sich Spiele mit Zuschauern durchaus vorstellen. „Wenn die Abstandsregeln eingehalten und das Schreien oder Singen verboten sind, sind Spiele mit einer begrenzten Zahl von Zuschauern grundsätzlich vorstellbar“, sagt der Vizepräsident der Gesellschaft für Virologie. „Allerdings können die niedrigen Temperaturen im Herbst und Winter zum Problem werden. Die sind auch mitverantwortlich für die rasche Übertragung in Schlachthöfen. Bei 8 bis 10 Grad kann sich das Coronavirus ideal ausbreiten.“