Essen/Bochum. Die Fußball-Bundesliga startet nach einer zweimonatigen Saisonpause wieder. Wie belastbar sind die Profis? Experten geben ihre Einschätzung.

Es ist eine Situation, die es so noch nicht gegeben hat: Nach einer gut zweimonatigen Saisonpause, in der aufgrund der Corona-Pandemie keine einzige Partie absolviert wurde, soll der Spielbetrieb in der Fußball-Bundesliga und der 2. Liga am kommenden Samstag wieder starten. Wie belastbar sind die Profis nun im Wettbewerb? Wie hoch ist das Verletzungsrisiko? Sind die Spieler überhaupt bereit für diesen Neustart?

Grundlagenausdauer kein Problem

„Das kommt ganz auf jeden einzelnen Profi selbst an“, sagt Robin Dutt, ehemaliger Trainer des Zweitligisten VfL Bochum, im Gespräch mit dieser Redaktion. Mit Blick auf die spielfreie Zeit stellt der 55-Jährige fest: „Es ist kein Problem, im Grundlagen-Ausdauerbereich mit individuellen Läufen zu trainieren. Man kann auch im athletischen Kraftbereich sehr viel selber tun.“

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Entscheidend sei dabei die Frage, „wie viel man in diesen acht Wochen an fußballspezifischer Belastung simulieren kann. Es musste ein Plan gemacht werden nach zwei Kriterien: Wie erhält man die Grundlagen? Und wie viel kann man im Individualbereich trainieren? Über das Intervalltraining kann man die Belastung einer fußballspezifischen Form simulieren. Da kann man schon sehr viel tun, um Verletzungsprophylaxe aufzubauen und gut gerüstet zu sein“.

Dutt: „Da mag jetzt ein erhöhtes Risiko vorhanden sein“

Dutt, der als Bundesliga-Trainer auch beim SC Freiburg, bei Bayer Leverkusen und Werder Bremen arbeitete, legt Wert auf eine individuelle Betrachtung der Thematik. „Es gibt Spieler, die sich eigentlich nie verletzen. Und es gibt andere Spieler, die auch bei optimaler Betreuung ein Verletzungsrisiko haben.“ Mit diesen Profis, so Dutt, „muss man noch gefühlvoller und differenzierter umgehen. Man kennt diese Spieler und deren Empfindlichkeit. Da mag jetzt ein erhöhtes Risiko vorhanden sein bei einem Start von 0 auf 100“.

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© Udo Kreikenbohm / Funke Foto Services

Dr. Thomas Henke, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, forscht seit vielen Jahren zum Thema Verletzungen und Verletzungsprävention. „Wenn ein verletzter Spieler nach wochenlanger Pause wieder an den Spielbetrieb herangeführt werden muss, passiert das auch in Schritten“, sagt er. „Die Belastung muss nach und nach gesteigert werden. Eine solche Situation hinsichtlich Pause und Belastung gibt es aktuell für sämtliche Profis. Aber die Vereine waren ja schon länger wieder im Kleingruppentraining und konnten auch mit Ball arbeiten – wenn auch in entsprechendem Abstand. Inzwischen ist man auch wieder im Mannschaftstraining. Einen kompletten Kaltstart wird es also nicht geben.“

Henke verweist allerdings auf eine Situation, die er immer wieder beobachtet habe: „In der Übergangsphase zwischen Vorbereitung und Saisonbeginn und nach der Winterpause zu Beginn der Rückrunde gibt es sehr häufig eine starke Zunahme an Verletzungen. Da steht zu befürchten, dass wir Ähnliches erleben, wenn die Saison wieder aufgenommen wird.“

Englische Wochen im DFL-Spielplan

Der Plan der Deutschen Fußball-Liga sieht vor, die Saison mit neun verbleibenden Spieltagen bis zum 30. Juni zu beenden. Auf die Klubs kommen nach aktuellem Stand zwei Englische Wochen zu. Werder Bremen und Eintracht Frankfurt müssen aber zusätzlich ihr Nachholspiel austragen. Wie und wann Dynamo Dresden nach der Quarantäne wieder einsteigen soll, ist noch ungeklärt. Der Spielmodus könne die Häufung von Verletzungen begünstigen, erklärt Henke: „Wenn man die Saison mit mehreren Englischen Wochen zu Ende bringen muss, haben wir eine sehr hohe Intensität auf der Basis einer reduzierten Aktivität. Vereine, die heute schon ganz oben stehen und international Erfahrung haben, könnten die natürlich besser verkraften, weil sie das gewohnt sind und weil sie größere Kader haben.“

Dutt vertritt die Meinung, dass Profis alle drei Tage ein Spiel absolvieren könnten. „Wenn es alle machen, gibt es keinen Wettbewerbsnachteil“, sagt er. „Dann hat jeder die gleichen athletischen Voraussetzungen.“ Der Trainer glaubt, „dass die Mannschaften jetzt einen Vorteil haben werden, die athletisch sehr gut gearbeitet haben. Fitness und mentale Stärke werden vor allem in den Bereichen Ab- und Aufstieg eine große Rolle spielen“.

Nach den Partien müsste nun gerade bei Profis, die auch sonst anfällig für Verletzungen waren, die Belastung reduziert werden. „Es ist wichtig, dass man in der Regeneration nach diesen Spielen sehr differenziert vorgeht“, sagt Dutt: „Man darf nicht die Mannschaft als Ganzes betrachten, sondern muss stets den einzelnen Menschen sehen.“