Essen. Salomon Kalou hofft nach einem Video auf Verständnis. Sportpsychologin Jeannine Ohlert spricht über Wege, das Verhalten der Profis zu steuern.

Salomon Kalou wollte möglichst viele Menschen erreichen. Fast zeitgleich erschienen auf den Internetseiten des Nachrichtenmagazins Der Spiegel und des TV-Senders Sport1 Artikel mit seinen Äußerungen zum Skandal-Video. Wenig später folgte noch die Bild-Zeitung. Der Tenor war überall gleich: Der Bundesliga-Profi, der das Projekt Bundesliga-Neustart gefährdet hatte, nimmt die Schuld auf sich. Der 34-Jährige habe einen „dummen Fehler“ gemacht, die Kabinen-Sequenz, die ihn gegen alle Hygieneregeln abklatschend mit seinen Teamkollegen zeigte, tauge nicht als Beleg für den Menschen Kalou. „Ich bin mehr als diese fünf schlechten Minuten, die man dort von mir in der Kabine sieht.“

Wie schwer das Facebook-Video des früheren Champions-League-Siegers in der Debatte wiegt, wird sich am Mittwoch zeigen. Dann wollen Bund und Länder über die Wiederaufnahme des Spielbetriebs entscheiden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fand jedenfalls deutliche Worte: „Da macht die Liga hervorragende Konzepte, und dann gibt es Einzelspieler, wie jetzt zu lesen war, die sich sehr, sehr, sehr unglücklich verhalten. Ich finde auch gut, dass Profivereine sehr hart dagegen entscheiden, weil das bringt das ganze Konzept in Verruf“, meinte der CSU-Politiker

Über richtige und falsche Videos von Fußballprofis

Als Reaktion auf das Video hatte Hertha BSC den Angreifer suspendiert. Da sein Vertrag im Sommer ausläuft, ist die Berliner Zeit für Kalou nach sechs Jahren wohl vorbei. Er akzeptiert die Entscheidung, ihn ärgere aber, dass er den Eindruck erwecke, er nehme die Corona-Pandemie nicht ernst. „Das Gegenteil ist der Fall“, sagte der 34-jährige Ivorer dem Spiegel. „Mit meiner Stiftung helfen wir in der Elfenbeinküste beim Kampf gegen das Virus. Wir haben Krankenwagen finanziert, Krankenhausbetten auch. Wir haben Videos aufgenommen, in denen ich den Menschen erkläre, warum sie zu Hause bleiben müssen.“

Auch interessant

Das Video von Montag kann diesen Eindruck nicht vermitteln, vielmehr wirft es Fragen auf: Wie ernst nehmen die Bundesliga-Spieler das Coronavirus? Wie ernst die Quarantäne, die vor dem Neustart durchgeführt werden soll? Und wieso können sich Fußball-Profis nicht an einfachste Regeln halten?

Sportpsychologin: “Es sind eben noch junge Männer“

Eine, die diesem Eindruck widerspricht, ist Sportpsychologin Jeannine Ohlert. „Das sieht von außen so aus, als könnten sich Fußball-Profis nicht an Regeln halten. Aber es sind eben noch junge Männer, auch Salomon Kalou mit seinen 34 Jahren. In dem Alter widersetzt man sich auch mal den Regeln“, sagt die 44-Jährige von der Deutschen Sporthochschule Köln im Gespräch mit dieser Redaktion.

Fußballprofis müssten sich an einem „ganzen Haufen Regeln“ halten, seien zudem einen höheren Druck ausgesetzt, weil sie ständig in der Öffentlichkeit stünden. „Dazu kommt in diesem Fall noch: Sie fühlen sich wahrscheinlich gesund, haben vielleicht keinen Kontakt zu erkrankten Menschen. Da kann es schon passieren, dass man von der Mannschaft mitgerissen wird und eine Regel nicht befolgt.“

Es gibt mehrere Negativ-Beispiele

Kalou ist nicht der einzige, der negativ auffiel. Auch der Schalker Amine Harit oder Weltmeister Jerome Boateng verstießen gegen Kontaktregeln. Vor allem Harit empörte mit dem Besuch in einer Shisha-Bar.

Die Vorfälle scheinen sich in das Bild der abgehobenen Profis zu fügen, das lange vor der Corona-Krise entstanden ist. Für Ohlert sogar lange, bevor die Profis zu Profis wurden: „Die Vereine müssen mehr für die Persönlichkeitsentwicklung junger Spieler tun. Sie wachsen im Grunde in einer Parallelwelt auf und leben später in einer Art Blase. Sie haben in sehr jungem Alter schon sehr viel Geld, womöglich eine hübsche Freundin, ein teures Auto. Aber dadurch verlieren sie den Bezug zur Realität. Ich glaube nicht, dass das gesund ist für die Persönlichkeitsentwicklung.“

Führungsspieler sind gefragt

Diejenigen, die demnächst in Hotels einquartiert werden sollen, sind aber längst der Jugend entwachsen. Was also tun damit nicht weitere Verstöße passieren? Die Vereine müssten eine klare Haltung vorleben, sagt Sportpsychologin Ohlert: „Es sollte eindeutige Regeln geben und klar sein, was auf dem Spiel steht: Die Gesundheit aller. Außerdem sind die Führungsspieler gefragt, insbesondere der Mannschaftskapitän. Sie können das Ganze in einer gesunden Gruppe steuern.“ Und nicht zuletzt könnte jeder Spieler eingebunden werden: Sie könnten selbst überlegen, welches Verhalten richtig wäre: „Mehr Selbstbestimmung für die Spieler wäre auch ein wichtiger Schritt in der Persönlichkeitsentwicklung.“