Essen. Hertha-Profi Kalou sorgt mit seinem Video für einen Skandal. Ein Bärendienst für die Bemühungen der DFL um eine Fortsetzung des Spielbetriebs.
Bestens gelaunt stieg Salomon Kalou (34) am Montagmorgen aus seinem Auto. Spazierte durch den Kabinentrakt des Bundesligisten Hertha BSC, betrat die Kabine. Er schüttelte Sturm-Kollege Vedad Ibisevic (35) die Hand, zeigte den Umschlag mit seiner Gehaltsabrechnung, filmte Unterhaltungen über die Gehaltskürzung und die Corona-Untersuchung von Jordan Torunarigha (22). Live. Bei Facebook. 26 Minuten lang. 1,50 Meter Mindestabstand? Nur zwei Personen in einem Raum? Hygiene? Corona-Gefahr? Kalou, seit 17 Jahren Profi, scherte sich nicht darum.
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Es sind Bilder, welche die Deutsche Fußball-Liga (DFL) unbedingt vermeiden wollte. Sie will, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Bundesländer am Mittwoch die Wiederaufnahme der Bundesliga ab Mitte Mai genehmigen. Die DFL ist angewiesen auf die Politik, auch auf das Wohlwollen der Öffentlichkeit. Live-Videos wie das von Kalou sind nicht illegal. Aber sie hinterlassen einen schlechten Eindruck, sie schwächen die Position der DFL.
Zehn von 1724 Tests sind positiv
Diese bemühte sich sogleich darum, die öffentliche Meinung zu steuern. Nur zwei Stunden, nachdem das Kalou-Video veröffentlicht war, stellte der Liga-Verband um 15.16 Uhr eine Mitteilung auf seine Internetseite. Zehn der 1724 Corona-Tests bei den 36 Profiklubs seien positiv. Schlimm? Nicht für die DFL: „Die erfolgten Tests haben ihren Zweck erfüllt, für zusätzliche Sicherheit zu sorgen.“ Und um 16.30 Uhr folgte eine zweite Nachricht mit Bezug auf das Video: „Die Bilder sind absolut inakzeptabel. Hierfür kann es keine Toleranz geben – auch mit Blick auf Spieler und Klubs, die sich an die Vorgaben halten, weil sie die Ernsthaftigkeit der Situation erfasst haben.“ Alles okay also im deutschen Fußball?
Nein, das Hertha-Video ist nicht das erste Beispiel schlechter Krisenkommunikation. Einen Tag zuvor hatte sich der 1. FC Köln eine PR-Blamage geleistet. Profi Birger Verstraete hatte in einem mit dem Klub nicht abgesprochenen Interview nach drei positiven Corona-Tests im Verein betont, die Gesundheit seiner Familie und seiner herzkranken Freundin habe für ihn höchste Bedeutung. Er stellte zur Diskussion, dass er vom positiv getesteten Physiotherapeuten wochenlang behandelt worden sei. Der Neustart der Liga? „Naiv“, findet Verstraete.
Aussagen, die der FC nicht tolerierte. 70 Minuten, schreibt Bild, habe die Ansprache der Geschäftsführer Horst Heldt und Alexander Wehrle gedauert. Verstraete ruderte auf der FC-Homepage zurück: Er hätte sich an einigen Stellen falsch ausgedrückt. Der Klub fügte nur hinzu, er hätte jederzeit korrekt gehandelt. Was aber fehlte: Verständnis für die Sorgen des Spielers, der denkt, in einer anonymen Befragung wäre die Mehrheit der Profis für einen Abbruch der Saison.
Und auch die DFL selbst ist mit ihrer Kommunikation vorsichtig geworden. Am Wochenende veröffentlichten einige Klubs selbst die Befunde der ersten Corona-Testreihe – etwas, das der DFL offenkundig missfiel. „Wir empfehlen, von eigenen Verlautbarungen abzusehen. Wir werden eine zentrale Kommunikation vornehmen“, schrieb DFL-Direktor Ansgar Schwenken nach Kicker-Angaben in einer Mail an die 36 Profiklubs.
Man kann das als Zeichen von Nervosität verstehen. Illegal war nichts – nicht Kalous Video, nicht Verstraetes Äußerung, nicht die Mitteilungen der Vereine. Doch die öffentlichen Reaktionen reichen von Entsetzen bis Süffisanz. Ein Beispiel: SPD-Politiker Kevin Kühnert, der twitterte: „Das Hygienekonzept der DFL scheitert an der Realität. Ganz konkret am Intellekt einiger Spieler und Vereinsvertreter.“
Kalou wurde noch am Abend suspendiert, doch der Schaden bleibt.