Essen. Am Montag entscheidet die DFL, wie es in den Bundesligen angesichts Corona weitergeht. Der finanzielle Druck ist groß – die Einigkeit nicht.
Wenn die Entscheidung an diesem Montag getroffen wird, ist sie eigentlich schon wieder Makulatur: In Frankfurt treffen sich die Vertreter der 36 deutschen Profi-Klubs, um eine Pause zu beschließen. Erst am 3. April soll der Ball wieder rollen, so sieht es die Beschlussvorlage vor. Das aber erscheint schon jetzt utopisch. Denn in Berlin dürfen bis zum 19. April keine Sportveranstaltungen ausgetragen werden. Davon wären zwei Heimspiele von Union Berlin betroffen – eins gegen den FC Schalke 04 – und eins von Hertha BSC. Deswegen erwägt das Präsidium der Deutschen Fußball-Liga, seinen Vorschlag zu erweitern und den Ball bis einschließlich Ostern ruhen zu lassen.
Selbst das ist optimistisch, das weiß man auch im Fußball. „Wir müssen endlich der Realität ins Auge schauen“, forderte Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern, in der Sport1-Sendung Doppelpass. „Vielleicht können wir auch im Oktober noch immer nicht Fußball spielen.“ Englische Medien berichten bereits davon, dass die Regierung den dortigen Klubs signalisiert habe, sie müssten sich auf eine Pause bis September einstellen.
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Kleine Vereine in Existenz bedroht
In Frankfurt werden die deutschen Vereinsvertreter deswegen auch über weitere Fragen diskutieren: Wie sehen die Szenarien für die Zukunft aus? Und wie lassen sich die absehbar dramatischen finanziellen Folgen möglichst abfedern? Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sieht seinen BVB zwar nicht in der Existenz gefährdet, sagte in der ARD-Sportschau aber auch: „Es wird für einige Klubs sehr schwierig werden.“
Weitgehend einig ist sich die Liga in einer Frage: Die nationalen Wettbewerbe haben Priorität, der Europapokal muss abgeblasen, die für den Sommer geplante Europameisterschaft verschoben werden. „Eine Verlegung der Euro schafft allen anderen Platz“, sagte Watzke. Das allerdings müsste der europäische Verband Uefa entscheiden, der am Dienstag in einer Telefonkonferenz mit allen Mitgliedsverbänden über die Situation berät. Daran nimmt auch Watzke als Vorstandsmitglied der europäischen Klubvereinigung ECA teil.
Aber wie geht es dann mit der Liga weiter?
Szenario 1: Der Komplettabbruch
„Mein Gefühl und meine Erfahrung sagen mir, dass die Saison komplett abgebrochen wird“, sagt Helge Leonhart, Präsident des Zweitligisten FC Erzgebirge Aue. Aber was würde diese drastische Maßnahme für Meisterschaft, Abstieg und Europapokal-Qualifikation bedeuten? Eine Möglichkeit: Es gilt der aktuelle Stand. Der FC Bayern wäre erneut Meister, Werder Bremen und der SC Paderborn würden ab-, Arminia Bielefeld und der VfB Stuttgart aufsteigen. Die Paderborner haben bereits angekündigt, dem auf keinen Fall zuzustimmen. Alternativ könnte die Liga aufgestockt werden, es gäbe für die kommende Saison nur Auf- und keine Absteiger.
Aber auch das brächte Härten mit sich, derzeit haben nicht einmal alle Klubs die gleiche Anzahl an Spielen – und ein unterschiedlich schwieriges Restprogramm. Diskutiert wird daher auch, nur die Hinrunde zu werten, was andere Probleme mit sich brächte. Eine Alternative: Die Saison wird komplett annulliert, die Europapokal-Teilnehmer auf Basis der letzten komplett gespielten Saison bestimmt. Auch damit aber wären viele Klubs unzufrieden.
Das Hauptproblem ist ohnehin ein anderes: Sollte die Liga den Betrieb sofort einstellen, wären die Verluste immens. TV-Partner und Sponsoren würden Gelder zurückfordern, Zuschauer-Einnahmen fielen weg. In der Branche kursieren Zahlen von rund 750 Millionen Euro, nach Informationen dieser Zeitung ist diese Zahl sogar noch eher niedrig angesetzt. Versichert sind die Ausfälle nicht, weshalb sich nur die wenigsten derzeit mit dieser Option anfreunden können.
Szenario 2: Weiterspielen im Sommer
Am wahrscheinlichsten ist, dass die Vereine versuchen, sich Zeit zu erkaufen. Sollte die Uefa die EM 2020 tatsächlich verschieben, wäre im Juni Raum für Bundesliga-Spieltage – ohne Zuschauer, um zumindest die TV-Einnahmen zu retten. „Wenn in dieser Saison wieder gespielt wird, werden es Geisterspiele sein, das ist völlig klar“, sagte Watzke.
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Allerdings spricht wenig dafür, dass in ein paar Wochen schon wieder gespielt werden kann, weshalb das Zeitfenster klein bleibt. Denn Ende Juni enden zahlreiche Profiverträge, bis dahin müsste die Spielzeit eigentlich abgeschlossen sein. Daher kursieren schon Vorschläge, zu prüfen, ob sich alle Verträge pauschal um einen oder zwei Monate verlängern lassen – gleichzeitig müsste die Transferperiode, die am 1. Juli beginnen soll, entsprechend nach hinten geschoben werden.
Ruf nach Solidarität
Sollte das nicht gelingen, plädieren einige dafür, sich wenigstens so weit es geht durchzuwurschteln. Das Kalkül: Je mehr Spiele man absolviert, desto geringer werden die finanziellen Auswirkungen. Denn die bedrohen viele Klubs in ihrer Substanz. Einnahmen brechen weg, die Ausgaben aber bleiben – und gegen Ende einer Saison ist die Liquidität bei den Vereinen traditionell gering. Das bedroht viele Existenzen: Rund 50.000 Menschen sind vom Profifußball abhängig – ohne die gut verdienenden Spieler.
So wird der Ruf nach Solidarität in der Liga laut. Die Großen aber sperren sich: „Warum sollten die Klubs, die sich ein Polster geschaffen haben, die belohnen, die es nicht getan haben?“, fragte Watzke. Der BVB verliere durch die wegfallenden TV-Einnahmen und Eintrittsgelder ja auch mehr. Und so richten sich die Blicke auf die Profis: 1,4 Milliarden Euro gaben die Bundesliga-Klubs in der abgelaufenen Saison für Spielergehälter aus, 35,6 Prozent der Gesamtausgaben. Es ist der größte Kostenblock – aber lässt der sich reduzieren? „Je länger das alles dauert, desto mehr wird sich die Frage stellen“, sagte Watzke. „Aber das geht nur auf freiwilliger Basis – und ich bin nicht der Zuversichtlichste, was das angeht.“