Bochum. Beim FC Bayern München liegt viel im Argen. Hasan Salihamidzic flüchtet sich in Ironie. Torwart Manuel Neuer stellt in Bochum die Charakterfrage.

Hasan Salihamidzic schritt durch die Katakomben des Ruhrstadions. Sein FC Bayern München hatte die Partie beim VfL Bochum mit 2:1 (0:1) gewonnen, der Sportdirektor sollte den mühevollen Einzug ins Achtelfinale des DFB-Pokals bewerten. Doch Salihamidzic legte vor den Journalisten einen bizarren Auftritt hin. „Top-Abend, top, top... Gut, richtig gut. Wir haben ein Riesenspiel gemacht“, sagte der Bosnier kopfschüttelnd und voller Ironie. Salihamidzic merkte an, dass er gar nicht reden wolle. „Ich bin da, einfach nur, um da zu sein“, lautete noch ein skurriler Satz des 42-Jährigen.

Nach Salihamidzic’ Abgang gab es aber doch noch klare Aussagen – von Manuel Neuer. Der Münchener Torhüter wirkte aufgeräumt und klar, wickelte in aller Ruhe einen Tapeverband vom Finger – und gab dabei, anders als der geradezu verzweifelt zynische Salihamidzic, einen unverstellten Blick ins Innenleben des Fußball-Rekordmeisters.

Die Mannschaft habe das Spiel mit den späten Toren durch Serge Gnabry und Thomas Müller noch „gut gedreht“, also galt: „Der Wille war da.“ Mehr Positives wollte Neuer nach dem zittrigen Sieg beim akut abstiegsbedrohten Zweitligisten allerdings nicht sagen. Stattdessen schlug er ausdrücklich jedem seiner Mitspieler einen Tritt vor den Spiegel und die kritische Frage an sich selbst vor: „Warst du heute der, der du sein kannst?“

Langes Gesicht bei Hoeneß

Das klang philosophisch – und war nah dran an manchen Weisheiten des indischen Pazifisten Mahatma Gandhi, von dem unter anderem das Zitat stammt: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ Wobei es den Münchenern in diesen Wochen schon reichen würde, etwas an ihrem Spiel zu verändern.

Die langen Gesichter der Bayern-Bosse um Präsident Uli Hoeneß auf der Bochumer Tribüne und der verbale Leerlauf von Sportchef Salihamidzic nach Spielschluss zeugen von erhöhter Explosionsgefahr an der Säbener Straße. Zwar gab es zuletzt drei Siege in Folge, glücklich über die knappen Erfolge bei Olympiakos Piräus, gegen Aufsteiger Union Berlin und nun in Bochum war bei den Bayern aber keiner. Am allerwenigsten Manuel Neuer.

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Der Kapitän ist mit seiner Haltung gerade in dieser holprigen Phase ein Vorbild. In Bochum war das Spiel seiner Mannschaft vor allem in der ersten Halbzeit so fad und fehlerhaft, dass Neuer auch grundsätzlich wurde. „Charakter ist wichtig – wie sich das gehört im Pokal“, betonte der 33-Jährige, ehe er mahnend den Finger hob: „Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns präsentieren. Denn das ist uns zuletzt leider zu oft passiert.“

Speziell in den schlimmen ersten 45 Minuten musste Trainer Niko Kovac sein Personal mit der einen oder anderen Sonderanweisung versorgen. Mal zitierte er Corentin Tolisso in seine Coaching Zone, mal Thiago. Jerome Boateng und Leon Goretzka liefen von sich aus an die Seitenauslinie, um Verbesserungsvorschläge zu machen. Und dazu sangen die Bochumer Fans spöttisch: „Erste Liga – keiner weiß, warum.“

Lewandowski wirkt unzufrieden

Nach der Pause sprachen die Gäste dann weniger, dafür meckerten sie mehr. Vor allem der eingewechselte Robert Lewandowski wirkte unzufrieden: Mal giftete er Gnabry wegen eines zu späten Zuspiels an, mal verstand er sich mit Müller nicht.

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Den Bayern ist momentan die eigene DNA abhanden gekommen. „Normalerweise leben wir sehr von unserem sicheren Passspiel, Ballstafetten, gutem Ballbesitz. Das hatten wir heute nicht“, befand Trainer Kovac. Chefkritiker Neuer war in diesem Fall aber schon dieser Detailgedanke zu viel.

„Traurig“ und „enttäuschend“ sei die erste Halbzeit gewesen, kommentierte der Torwart, der dazu noch erklärte: „Vielleicht liegt es daran, dass man gar nicht in die nächste Runde kommen will. So sah’s zumindest aus.“ Weswegen für ihn klar ist: „Wir müssen nicht über Einzelne sprechen, nicht über Spielsysteme, nicht über den Trainer, nicht über den Platz, nicht darüber, ob die Sonne scheint oder der Wind weht.“ Sondern: „Jeder muss bei sich selbst anfangen.“

Und womöglich graben die Münchener bei ihrer inneren Einkehr vor dem Badezimmerspiegel bis zur Samstagspartie bei Kovacs Ex-Klub Frankfurt ja tatsächlich wieder das aus, was Leon Goretzka an seiner alten Wirkungsstätte so vermisste. „Wenn man so spielt, wie wir heute, haben wir alle keinen Spaß. Und man sollte nicht unterschätzen, was das ausmacht“, lautete der alarmierende Beitrag des langjährigen Bochumers zum lauen Pokalabend seines Teams.