Tallinn. Likes der Nationalspieler Ilkay Gündogan und Emre Can haben eine Debatte ausgelöst. Gündogan und Can können dies nicht verstehen.
In dem Moment, in dem Frage kam, die ja kommen musste, kratzte sich Ilkay Gündogan mit der rechten Hand am Kopf, trat einen kleinen Schritt zurück. Während er in seiner linken Hand zwei Tüten, eine Getränkeflasche und eine graue Mütze hielt, was ein kleines Kunststück war. Zuvor hatte er ja auch schon auf dem Rasen in Tallinn zwei Kunststücke vorgeführt, nämlich zwei Tore beim 3:0-Erfolg der deutschen Nationalmannschaft über Estland. Nun aber ging es nicht um Kunststücke, sondern um ein Missgeschick – oder vielleicht noch mehr.
Ein Like für einen militärischen Gruß
Denn Gündogan hatte wie sein Mannschaftskollege Emre Can vor dem Spiel bei Instagram ein Foto des türkischen Nationalspieler Cenk Tosun geliket. Dies zeigte Tosun, wie er nach seinem Siegtreffer im EM-Qualifikationsspiel gegen Albanien salutierte. Offensichtlich war die Geste als militärischer Gruß gemeint, der Solidarität mit dem türkischen Militär und dessen Offensive in Nordsyrien ausdrücken sollte.
Bierhoff nimmt Gündogan in Schutz
„Ich dachte, ich like ein Foto von einem sehr guten Freund, mit dem ich eine zeitlang in Manchester gelebt habe“, sagte Gündogan nun, seine rechte Hand suchte dabei nach Halt, wanderte mal nach unten, mal zu seinem Kopf. „Neben mir haben 20.000 andere Menschen das Bild geliket, Fußballer aus der ganzen Welt. Dass dann wir zwei ausgewählt werden, daraus so eine Geschichte gemacht wird, das ist ein bisschen schade“, ergänzte der gebürtige Gelsenkirchener. Denn: „Da war keine politische Absicht hinter. Emre und ich sind beide konsequent gegen jeglichen Terror und gegen jeglichen Krieg, egal wo der stattfindet.“
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Gündogan betonte zudem, zuvor nichts von der Aufregung rund um den Militärgruß der türkischen Nationalmannschaft gelesen zu haben. Was angesichts der breiten Debatte (sogar die Uefa ermittelt) nicht so einfach gewesen sein dürfte, DFB-Direktor Oliver Bierhoff meinte aber: „Wir müssen den Spielern auch mal Vertrauen entgegenbringen.“
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„Ich habe es erst mitbekommen, nachdem unsere Geschichte aufgetaucht ist“, versicherte Gündogan jedenfalls. Der schon vor der WM 2018 für eine hitzige Integrationsdebatte ausgelöst hatte, weil er gemeinsam mit Ex-Nationalspieler Mesut Özil für ein Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdogan posierte. Jetzt erinnert der Fußball wieder daran, dass türkische Konflikte durch die vielen Menschen in Deutschland mit türkischen Wurzeln immer auch deutsche Konflikte sind. Mit all den Widersprüchen. „Ich kann das nicht ändern. Ich glaube, dass Menschen wissen, wie das von uns gemeint war“, sagte Gündogan.
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Emre Can sah dies ähnlich. „Ich habe den Post ohne jegliche Intention geliket und ohne auf den Inhalt zu achten“, meinte er. „Ich bin ein absoluter Pazifist und gegen jede Art von Krieg. Es hatte nichts mit Politik zu tun.“ Dies sei die Interpretation der Medien, erklärte er noch, ehe er angefressen in den Mannschaftsbus stampfte. Can hatte nicht nur im Internet für Aufregung gesorgt, sondern auch dem Platz schon in der 14. Minute die Rote Karte gesehen.
Gündogan antwortete mit den Füßen
Gündogan hingegen antwortete mit den Füßen auf den „Gefällt mir“-Ärger, sein Abend endete so auch versöhnlicher. Denn nach der Frage, die ja kommen musste, ging es tatsächlich noch um Fußball. Kurz.
„Wurden mir beide Tore zugesprochen?“, fragte der Profi von Manchester City, weil seine Schüsse jeweils abgefälscht waren. „Ja“, meinten die Journalisten. „Das ist schön. Ich bin froh, dass ich der Mannschaft weiterhelfen konnte“, erklärte Gündogan.
Dann ging er in Richtung Mannschaftsbus, in dem seine Kollegen schon länger warteten.
Gündogans rechte Hand suchte nach seinen Toren übrigens nicht nach Halt. Stattdessen nutzte er sie, um sich mit ihr auf die Brust zu klopfen. Genauer: auf das deutsche Wappen.
Klares Statement des DFB
Am Montag reagierte der DFB mit einem Statement in den Sozialen Medien und veröffentlichte ein Mannschaftsfoto, auf dem Gündogan und Can in der Mitte von Kapitän Manuel Neuer im Arm genommen werden. „Gemeinsam für Offenheit, Vielfalt und Toleranz. Gegen jede Form von Gewalt und Diskriminierung“, lautet die klare Botschaft.