Essen. Der im Sommer in Hannover entlassene Thomas Doll arbeitet nun auf Zypern. Heute geht es mit Nikosia gegen Amsterdam um die Champions-League.

Von null auf hundert. Thomas Doll kam, sah und reüssierte bei Apoel Nikosia. Der nach dem Bundesliga-Abstieg bei Hannover 96 entlassene Trainer heuerte beim Traditionsklub auf Zypern an und führte diesen gleich mit einem Erfolg gegen den FC Karabach in die Play-offs der Champions League. Heute trifft der 53-jährige Ex-Nationalspieler, der einen Vertrag bis 2021 unterschrieben hat, auf Ajax Amsterdam (21 Uhr/DAZN). Im Interview spricht der frühere BVB-Trainer über das Spiel des Jahres, den neuen Job und seinen Abschied aus Hannover.

Herr Doll, in Hannover unehrenhaft entlassen, nun in den Play-offs der Champions League. Kneifen Sie sich manchmal, um zu begreifen, dass dies kein Traum ist?

Thomas Doll: Es ist fantastisch, was hier auf Zypern in der letzten Woche passiert ist. Einen solchen Einstand bei meinem neuen Klub hätte ich mir nicht in den kühnsten Träumen erhofft. Alles ist perfekt gelaufen, mehr geht einfach nicht.

Nikosia hatte das Hinspiel gegen den FC Karabach mit 1:2 verloren, es drohte das Aus. Dann gab es mit Ihnen in Aserbaidschan einen 2:0-Sieg im Rückspiel. Was genau haben Sie angestellt?

Ich hatte wenig Zeit, um die Elf vorzubereiten: nur fünf Trainingseinheiten. Das Personal habe ich kaum getauscht, nur zwei Änderungen vorgenommen. Doch mit Ralf Zumdick, meinem langjährigen Assistenten, habe ich einen Plan ausgearbeitet: Unter meinem Vorgänger hat Apoel mit einer Fünferkette operiert. Wir haben das System geändert, setzen auf ein 4-3-3. Meine Jungen haben das gut angenommen. Es hat trotz der kurzen Zeit funktioniert.

Wie lief das Spiel in Aserbaidschan?

Es war ein hartes Stück Arbeit vor einer tollen Kulisse. Unser Keeper Vid Belec, ein Nationaltorwart aus Slowenien, hat eine famose Leistung gebracht, insgesamt war unser Sieg verdient. Nach dem zweiten Tor von Uros Matic mussten wir am Ende noch kurzzeitig zittern, doch die Null stand.

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Wie ordnen Sie diesen Erfolg ein?

Es war für Nikosia das Spiel des Jahres. Nun herrscht eine große Euphorie, weil wir es in die Play-offs geschafft haben. Noch wichtiger ist jedoch, dass wir selbst bei einem Scheitern in der nächsten Runde die Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League sicher haben. Es freut mich vor allem für Prodomos Petrides, den Präsidenten, der den Lohn für seine jahrelange Arbeit verdient hat.

Was rechnen Sie sich nun gegen Amsterdam aus?

Ajax – das muss man sich mal vorstellen. Unglaublich, wir treffen auf den Halbfinalisten aus dem Vorjahr. Ich bin kein Träumer, wir sind natürlich krasser Außenseiter gegen die Niederländer, die in einer anderen Liga spielen. Doch wir wollen uns wehren und um unsere Minimalchance kämpfen.

Überhaupt: Hatten Sie damit gerechnet, so schnell einen neuen Job zu finden?

Ehrlich gesagt: nein. Normalerweise dauert es, bis die Saison angefangen hat. Erst im September oder Oktober werden neue Stellen frei.

Ein Glücksfall also, dass Sie nicht so lange arbeitslos geblieben sind?

Sicherlich, mein Berater Wolfgang Vöge, der frühere Bundesliga-Profi, hat den Kontakt hergestellt. Dann ging alles sehr schnell. Ich bin nach Zypern geflogen und habe mich mit dem Klubboss getroffen. Wir waren uns rasch einig. Einen Tag später stand ich schon auf dem Trainingsplatz.

Warum ist Paolo Tramezzani, Ihr Vorgänger, so kurz nach dem Saisonstart entlassen worden?

Diese Frage kann ich nicht beantworten. Es war auch nicht Gegenstand der Gespräche, die ich mit den Zyprioten geführt habe.

Was reizt Sie an der Aufgabe in Nikosia?

Es ist ein sehr professionell geführter Klub, der bekannteste auf Zypern. Mein erster Eindruck: Die Voraussetzungen, um hier Erfolg zu haben, sind gut. Vor einem Jahr haben sie ein neues, recht modernes Trainingszentrum gegründet. Alles bestens.

Und wie schätzen Sie ihr Team ein?

Viele gute Fußballer. Recht viele Profis aus dem Ausland, aus 16 Nationen, die zu einer Mannschaft zusammenwachsen müssen. In diesem Sommer sind einige Neue gekommen, vor allem aus Serbien. Die Elf besitzt enormes Potenzial, wie ich in den ersten Trainingseinheiten festgestellt habe. Ich bin begeistert, dass ich einige herausragende Außenbahn- und Offensivspieler im Kader habe.

Wie fällt mit einigem Abstand nun Ihr persönliches Fazit nach der nicht so erfolgreichen Episode bei Hannover 96 aus?

Es bleibt die Enttäuschung, es nicht geschafft zu haben. In den ersten sechs Wochen haben wir kein gutes Bild abgegeben. Danach wurde es besser. Die Mannschaft wurde stärker, einige Verletzte kamen zurück und haben uns verbessert, es ist ein Teamspirit entstanden. Doch es kam zu spät, weil wir uns oft nicht mit Punkten belohnt hatten. Wir haben alles versucht, sind aber gescheitert. Wichtig ist, dass wir uns nichts haben zuschulden kommen lassen.