Udine. Vor zwei Monaten war Marco Richter der erfolgloseste Stürmer der Bundesliga. Bei der U21-EM hat er Deutschland nun zum Auftaktsieg geschossen.

Den Jubel seiner Mannschaftskollegen in der Kabine hatte Marco Richter nicht mitbekommen. Nach dem 3:1-Auftaktsieg von Deutschland bei der U21-Europameisterschaft über Dänemark stand er mehr als eine Stunde nach dem Abpfiff noch immer in den Katakomben des Stadio Friuli und gab Interviews. Zwei Tore, eine Vorlage, die ersten drei Punkte im Turnier: Der 21-Jährige hatte nach diesem Abend einiges zu erzählen: „Dass ich jetzt medial mehr in den Fokus gerückt bin, ist natürlich ein geiles Gefühl. Der Name Marco Richter ist vielleicht noch nicht so bekannt.“ Was vor zwei Monaten noch galt, dürfte spätestens nach diesem Spiel Geschichte sein.

Untypischer Karriereweg

Vor dem 29. Spieltag der abgelaufenen Bundesliga-Saison war Richter die personifizierte Ladehemmung. Kein einziges Mal hatte der Angreifer getroffen. Sein Verein, der FC Augsburg, befand sich mitten im Abstiegskampf und hatte soeben Manuel Baum als Trainer entlassen.

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Der Schweizer Martin Schmidt übernahm und mit ihm explodierten Richters Leistungen: Doppelpack gegen Frankfurt, Doppelpack gegen Stuttgart, Nominierung für die U21-Europameisterschaft. Mit seinen zwei Treffern im ersten Gruppenspiel der deutschen Mannschaft hat Richter seine eigenen Grenzen weiter nach oben verschoben: „Wirklich glauben kann ich es in diesem Moment noch nicht. Es ist das erste große Turnier für mich, davon habe ich immer geträumt. Einfach überragend.“ Sein Weg verlief bis jetzt untypisch.

Typ Straßenfußballer mit dem Hang zur Faulheit

Für Richter gab es eigentlich nie einen Platz in einer U-Nationalmannschaft. „Ich habe vielleicht mal einen Lehrgang mit der Kreisauswahl in Duisburg-Wedau gemacht, aber das war es auch schon“, gab der gebürtige Friedberger zu. Der Spieler Richter, Typ Straßenfußballer, war bis auf einen Einsatz bei der U20-Nationalmannschaft nicht gefragt. Auch beim FC Augsburg wurde ihm bisweilen eine gewisse Faulheit nachgesagt. Zwar hatte er einmal in einem Spiel für die U23 sieben Tore auf einmal geschossen, den wirklich großen Durchbruch trauten ihm aber nicht alle Wegbegleiter des FCA zu. Doch wieso ist das jetzt auf einmal urplötzlich anders?

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„Er hat in Augsburg zuletzt super Spiele gezeigt und an seiner körperlichen Fitness gearbeitet. Er ist ein Spieler mit dieser Bolzplatz-Mentalität, bei dem ich nicht so viele Regeln aufstelle, sonst mache ich ihm die kaputt“, lieferte Stefan Kuntz, sein Trainer bei der U21, einige Erklärungsansätze. Kuntz sorgte mit der Personalie Richter in der Anfangsformation durchaus für eine Überraschung. Nicht wenige hatten Hoffenheims Nadiem Amiri anstelle von Richter erwartet. Kuntz: „Marco hat nichts geschenkt bekommen, er hat sich das hart erarbeitet. Es hatte auch nichts damit zu tun, dass Nadiem Amiri noch angeschlagen ist. Selbst wenn Nadiem vollständig fit gewesen wäre, hätte Marco gespielt.“

Großer Schritt Richtung Halbfinale

Kuntz lag mit dieser Entscheidung für das Spiel gegen Dänemark im Nachhinein ebenso richtig, wie mit der Hereinnahme von Florian Neuhaus (Gladbach) zur Pause, der Arne Maier (Hertha BSC) ersetzte. Das deutsche Spiel gewann an Struktur und Stabilität, der 3:1-Erfolg gegen zu schwache Dänen am Ende ungefährdet. Kommenden Donnerstag wartet mit Serbien ein Gegner, der nach der überraschenden 0:2-Pleite gegen Österreich mit dem Rücken zur Wand steht.

Mit einem weiteren Erfolg könnte die deutsche U21-Mannschaft einen großen Schritt in Richtung Minimalziel Halbfinale machen, das gleichzeitig auch für die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 in Tokyo berechtigen würde. Bei der U21-Europameisterschaft kommen lediglich die Erstplatzierten der drei Gruppen und der beste aller Gruppenzweiten in die K.o.-Runde.