London. Frankfurts Traum platzt gegen Chelsea im Elfmeterschießen. Voller Stolz verabschiedet sich die Eintracht aus der Europa League.

Es ist gar nicht so lange her, dass Frankfurter Politiker fast scharenweise durch London auf Werbetour gingen. Um hochrangige Banker davon zu überzeugen, dass eine Stadt mit dem Sitz der Europäischen Zentralbank doch eine gute Alternative nach dem Brexit sein kann. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass Eintracht Frankfurt nun drauf und dran gewesen ist, die britische Machtdemonstration im europäischen Klubfußball zu verhindern. Doch letztlich scheiterte die gar nicht mehr launische Diva vom Main mit dem 3:4 (1:1, 1:1) im Elfmeterschießen auf dem Weg ins angestrebte Europa-League-Endspiel am FC Chelsea. „Stolz, Stolz, Stolz“, schrieb der Klub nach einer tragischen Nacht auf seinem Twitterkanal. Und fast trotzig: „Trotzdem Europas beste Mannschaft.“

"Es sind viele Tränen geflossen"

Selbst Chelseas verletzter Nationalspieler Antonio Rüdiger drückte auf diesem Wege seinen Respekt aus: „Richtig starke Saison von Mannschaft und deren Fans.“ Weit nach Abpfiff formierten sich an der Fulham Road die Frankfurter Spieler und Trainer- und Betreuerstab in zwei Reihen, um voller Inbrunst die Vereinshymne zu singen. Ein Klub, der sich im Herzen von Europa verortet, hätte keine bessere Abschiedsszenerie liefern können, erhobenen Hauptes diese Bühne zu verlassen. „Ein Traum ist geplatzt. Wir waren fast mit einem Bein im Finale. Es sind viele Tränen geflossen“, erklärte Trainer Adi Hütter.

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Keine Vorwürfe ergingen an die verhinderten Helden Martin Hinteregger und Gonçalo Paciência, die ihre Elfmeter verschossen, nachdem Kevin Trapp mit einer Parade die Vorlage zum Weiterkommen geliefert hatte. „Ich habe den Jungs gesagt, ich bringe euch ins Finale, Ich dachte, ein Gehaltener reicht“, erzählte der tüchtige Torwart. Viele Eintracht-Anhänger, von denen viel mehr als die offiziell zugeteilten 2235 Tickets ins Stadion gekommen waren, wähnten sich bereits im Flieger nach Baku, als sich das Starensemble der „Blues“ beim Check-In noch vordrängelte. Ähnlich wie Ajax Amsterdam machte auch der Außenseiter Eintracht die Erfahrung, dass auf dieser Bühne eine Tür noch in letzter Sekunde zufallen kann, die eigentlich schon sperrangelweit auf stand. 39 Jahre nach dem Triumph im ehemaligen UEFA-Cup wiederholt sich diese Frankfurter Geschichte nicht.

„Es nicht leicht zu kapieren, weil wir was Außergewöhnliches geschafft haben“, erläuterte der einigermaßen gefasste Sportvorstand Fredi Bobic, der zum x-ten Mal bei dieser ungewöhnlichen Europa-Tour mit einer siegreichen Gruppenphase gegen Kaliber wie Lazio Rom und Olympique Marseille und dem Weiterkommen gegen Kontrahenten wie Schachtjor Donezk, Inter Mailand und Benfica Lissabon die „unglaubliche Willensleistung“ lobte. Der Pokalsieger, unter den sieben deutschen Europapokalstarter als größter Außenseiter gestartet, hielt tapfer als letzter Bundesliga-Vertreter die Fahne hoch und sammelte mit Abstand die meisten Punkte für die wichtige UEFA-Fünfjahreswertung ein. Eintracht Frankfurt hat seine eigenen Grenzen in dieser Saison nach oben verschoben.

Diese Europa-Tour hat Frankfurt nachhaltig verändert

Ein Verein wie seine Stadt: Die Mitgliederzahl wird bald die 75.000er-Marke brechen, das Stadion soll spätestens bis zur EM 2024 ausgebaut werden, eine neue Geschäftsstelle entsteht. Mit UEFA-Ausschüttungen aus Prämien und Marketingpool und den Zuschauereinnahmen hat die Europa-Tour rund 30 Millionen Euro eingebracht, der Marktwert der Mannschaft ist sprunghaft gestiegen. Hinzu kommt der nicht in Zahlen zu beziffernde Imagegewinn: Die Multi-Kulti-Truppe ist ein Musterbeispiel fürs gelungene Miteinander und gleichzeitig ein Abziehbild der wachsenden Mainmetropole mit all ihrer Vielfalt. Mit solch starkem Rückenwind sind eine Menge nachhaltiger Effekte angestoßen. Das geht von der Eigenvermarktung bis zur Internationalisierung eines Klubs, der sich in dieser Saison fast selbst überholt hat, wie Bobic bestätigt.

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Egal, was am Ende rauskommen wird - das war ein überragendes Jahr", betonte der Baumeister: „Aber wenn es einen Freifahrtschein für die Champions League geben würde - wir hätten ihn verdient.“ Nur werden genau diese begehrten Startplätze selten von einer über die Gerechtigkeit des Fußballs wachenden Jury vergeben, sondern im knallharten Konkurrenzkampf der Bundesliga. Und das macht es für den aktuellen Tabellenvierten so gefährlich. Das Heimspiel am 33. Spieltag gegen den Nachbarn FSV Mainz 05 wurde von der Deutschen Fußball Liga (DFL) zwar auf Sonntag (18 Uhr) verlegt, aber selbst der zusätzliche Regenerationstag könnte zu wenig sein, um für das 48. Pflichtspiel der Saison die körperlichen und seelischen Wunden zu heilen. Antreiber Sebastian Rode (verdrehtes Knie) wird sicher ausfallen. Und dass es am letzten Spieltag zum FC Bayern geht, macht es für die Hessen, die aus den letzten vier Bundesligaspielen nur zwei Punkte holten, gemeingefährlich. Am letzten Spieltag in München beim Ex-Trainer Niko Kovac vollständig aus den Europapokalrängen zu purzeln, wäre eine noch viel größere Tragik, als im Londoner Süden zum Exit geschickt zu werden.