Chemnitz. Im Neonazi-Skandal beim Chemnitzer FC hat sich nun auch Bundesinnenminister Horst Seehofer eingeschaltet. Weitere Rücktritte stehen im Raum.
Der Chemnitzer FC droht im braunen Sumpf zu versinken, auch wenn er nach Kräften gegen die Strömungen von rechts rudert. Es geht um nicht weniger als die Unterdrückung eines ostdeutschen Fußball-Traditionsklubs durch rechtsradikale Teile seiner eigenen Fans. Der Skandal um die Trauerbekundungen für den verstorbenen Chemnitz-Fan Thomas H. gipfelte nun in einer Strafanzeige des Klubs und mehreren Entlassungen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer begrüßte am Montagabend die Maßnahmen. "Ich halte es für richtig und absolut notwendig, dass die Verantwortlichen beim Chemnitzer FC und beim Nordostdeutschen Fußball-Verband (NOFV) die erforderlichen Konsequenzen ziehen. Sport soll eine integrierende Wirkung haben und Menschen miteinander verbinden", teilte der 69-Jährige in einer Stellungnahme mit. Es dürfe keinen Raum für Rechtsextremismus und Rassismus geben.
Insolvenzverwalter des CFC spricht von "schwerwiegender Nötigung"
Der Regionalligist wehrt sich gegen Neonazis in der Kurve, ächzt aber auch unter dem Druck seiner Anhänger. Vor dem Spiel der Chemnitzer gegen VSG Altglienicke (4:4) am vergangenen Samstag war der mutmaßlich rechtsradikale Thomas H. mit Pyro-Show und Schweigeminute ausgiebig gewürdigt worden. Geplant war das nicht. Wie der Klub am Montag mitteilte, sollen dieser Abweichung vom normalen Prozedere möglicherweise strafbare Handlungen vorausgegangen sein.
"Nach Aussagen der zuständigen Mitarbeiter drohten massive Ausschreitungen. Dieser Umstand begründet zumindest den Anfangsverdacht für eine schwerwiegende Nötigung, der von den zuständigen Ermittlungsbehörden aufzuklären ist", sagte Insolvenzverwalter Klaus Siemon. Deshalb ging am Montag bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz eine CFC-Strafanzeige gegen unbekannt ein.
Einschlägig bekannte Rechtsextreme waren angereist
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) reagierte entrüstet. Vize-Präsident Rainer Koch teilte mit, dass sich der DFB "in aller Deutlichkeit von den Vorkommnissen im Chemnitzer Stadion" distanziere. Der zuständige NOFV beauftragte sein Sportgericht derweil mit Ermittlungen und bekräftigte, dass er sich "gegen den Missbrauch von Fußballspielen und die Nutzung für parteipolitische und anderweitige Zwecke" ausspreche.
Für die Trauer-Feierlichkeiten soll laut Angaben des CFC nicht nur "die Verwendung der sonst üblichen Fahnen von bis zu 99 Fanclubs unterbunden" worden sein, außerdem sei in Erfahrung gebracht worden, "dass einschlägig bekannte Personen aus der rechtsextremen Szene für diesen Tag aus anderen Städten nach Chemnitz und Sachsen gereist" seien. Laut Berichten der Freien Presse war H. Begründer der rechtsextremen Gruppe "HooNaRa".
Fanforscher: "Erklärung des Vereins höchst scheinheilig"
Den Chemnitzer FC setzt der Fall stark unter Druck. Schon am Sonntag war Geschäftsführer Thomas Uhlig als Reaktion auf die Vorkommnisse zurückgetreten. Am Montag trennte sich der Klub von der CFC-Fanbeauftragten und SPD-Stadträtin Peggy Schellenberger, die auf ihrer Facebook-Seite offiziell kondoliert hatte und dafür massive Kritik einstecken musste. Neben ihr wurden ein Mitarbeiter der Kommunikationsabteilung und der Stadionsprecher freigestellt.
Der CFC hatte am Sonntag die Trauerbekundungen in einer offiziellen Pressemitteilung noch gerechtfertigt. "Die Ermöglichung der gemeinsamen Trauer stellt keine Würdigung des Lebensinhalts des Verstorbenen dar", hieß es dort und es sei "ein Gebot der Mitmenschlichkeit", die Gelegenheit zur Trauer zu geben. Erst am Montag teilte der Verein mit, er sei "nicht bereit, vor diesen Ideologien zurückzuweichen und den Fußball in Chemnitz aufzugeben".
Fanforscher Gunter A. Pilz sieht die Politik des CFC kritisch. "Die Erklärung des Vereins ist meines Erachtens höchst scheinheilig. Sich so zu verstecken. Da fällt mir nicht viel zu ein", sagte er. Laut seiner Meinung hätte sich der Chemnitzer FC an Staatsschutz oder Polizei wenden müssen, um die Geschehnisse zu verhindern. "Und wenn das nicht geht, kann ich das Spiel ja notfalls auch absagen. Aber ich kann mich doch nicht erpressen lassen und Rechtsradikalen dieses Stadion als Raum für ihre Demonstrationen geben", betonte er. (sid)