Essen. Vor 50 Jahren konnte ein Meistermacher im Folgejahr mit seiner Mannschaft absteigen. Das zumindest wäre heute wohl undenkbar. Eine Kolumne
Über Niko Kovac war in den vergangenen Tagen zu hören und zu lesen, dass er taktisch überfordert sei, dass er mit Schuldzuweisungen Spieler gegen sich aufgebracht und „die Kabine verloren“ habe. Kurzum: Dass sein Abschied als Trainer des FC Bayern kaum noch zu verhindern sei.
Experten im Fernsehen hatten auch eine Erklärung dafür parat. Niko Kovac sei eben noch „ein junger Trainer“. Didi Hamann hat das behauptet, sogar der geschätzte Ewald Lienen ist dieser Ansicht. Dazu muss man wissen: Niko Kovac ist 47 Jahre alt. Er hat Eintracht Frankfurt in diesem Jahr zum DFB-Pokalsieg geführt, er war für die kroatische Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien verantwortlich. Ein junger Trainer?
Genügt Kovac den Ansprüchen in München?
Vermutlich war gemeint, Kovac sei ein unerfahrener Trainer. Zumindest zu unerfahren, um den Ansprüchen des FC Bayern gerecht werden zu können. Denn jung und alt, das wissen wir doch spätestens seit Otto Rehhagel, sind keine Bewertungskriterien im Fußball. Für Spieler wie für Trainer gilt: Es gibt gute, und es gibt schlechte.
Früher, in der Zeit, die man heute fälschlicherweise oft die gute alte nennt, hätte es einer wie Niko Kovac leichter gehabt. Als Fotos in der Zeitung noch schwarz-weiß waren, als der streng gescheitelte Ernst Huberty samstags die Sportschau moderierte und mancher Vater bestimmte, dass Frau und Töchter nicht zeitgleich Daktari gucken durften, da konnte es sich ein Trainer sogar leisten, dass eine Mannschaft abstieg, mit der er ein Jahr vorher Deutscher Meister geworden war.
Ein Meisternacher im freien Fall
50 Jahre ist es her, dass der Österreicher Max Merkel den 1. FC Nürnberg zum Titel führte. 1969 folgte der freie Fall – einmalig in der Geschichte der Bundesliga. Im März ging Merkel, doch der Scherbenhaufen, den er hinterlassen hatte, war nicht mehr zu kitten.
Das hinderte den Wiener aber nicht daran, weiterhin die Klappe aufzureißen. Und genügend Klub-Chefs ließen sich von den Sprüchen des Zampanos beeindrucken, Mitte der Siebziger auch die von Schalke 04. Als sie nach neun Monaten schlauer waren, hinterließ er den legendären Satz: „Das Schönste an Gelsenkirchen war schon immer die Autobahn nach München.“
Max Merkel, auf Schalke beliebt wie eine Grippe im Urlaub
In der Schalker Mannschaft war der Trainer-Diktator so beliebt wie eine Grippe im Urlaub. Erwin Kremers, Europameister von 1972, erzählte, Merkel habe von ihm verlangt, er solle die Flanken „mit einem Wuuuuusch“ reinbringen – und dabei habe er einen großen Bogen in die Luft gemalt. „Da wusste ich, dass es Zeit wird, meine Karriere zu beenden.“
Später hielt sich Merkel noch ein paar Jahre als Bild-Kolumnist über Wasser – mit Arroganz, Anmaßungen und Beleidigungen („Das Intelligenteste an Bruno Labbadia ist sein Weisheitszahn“). Am kommenden Freitag würde er 100 Jahre alt. Und man ahnt, wie sehr einer wie er heute wieder gefragt wäre. Als Experte, der Niko Kovac sicher nicht einfach nur „jung“ nennen würde.