Bremen. . Werder Bremen strebt einen einstelligen Tabellenplatz an. Mehr noch: Unter Trainer Florian Kohfeldt liebäugelt der Klub mit dem Europapokal.

Wer im Weserstadion durch den Spielertrakt oder den Medienbereich schreitet, der kommt um die Höhepunkte der Vereinsgeschichte gar nicht herum. Da ein Johan Micoud mit Meisterschale, dort Ailton mit dem DFB-Pokal. Hier Otto Rehhagel mit dem Europacup, dort Thomas Schaaf inmitten einer Menschentraube. Werder Bremen war – speziell nach der Doublesaison 2004 – ein stilprägendes Element im deutschen Fußball und nicht zufällig jahrelang nach Bayern München die zweite Kraft. Vor Borussia Dortmund oder dem FC Schalke 04.

Klaassen kommt, Kruse bleibt

Doch irgendwann ging das grün-weiße Geschäftsmodell – Verkannte und Unbekannte zu Stars zu formen – nicht mehr auf; auch weil der Standort sportlich größer geworden war, als er wirtschaftlich sein konnte. Der unvermeidliche Konsolidierungskurs stürzte die Norddeutschen in so manche Sinnkrise, und der Abstiegskampf blieb jahrelanger Begleiter.

Der Bundesliga-Check

Deutschland ist ein Land mit 82 Millionen Bundestrainern. Einige von ihnen sitzen in der Sportredaktion Ihrer Zeitung und tippen den Ausgang der neuen Bundesligasaison. Wer Meister wird, wer absteigt, wissen wir natürlich nicht. Aber bis zum ersten Spiel am 24. August zwischen den Bayern und Hoffenheim beleuchten wir täglich einen Klub und vervollständigen die Tabelle. Ob wir Experten sind? Das wissen wir erst am 18. Mai 2019.

Damit soll nun Schluss sein. Ein einstelliger Tabellenplatz gilt fast schon als das Mindeste. Denn wer 13,5 Millionen Euro ausgibt, um den niederländischen Nationalspieler Davy Klaassen vom FC Everton zu verpflichten; wer gerade den Vertrag mit dem umworbenen schwedischen Linksverteidiger Ludwig Augustinsson verlängert; mal wieder den bald 40-jährigen Altstar Claudio Pizarro zurückholt und von Max Kruse das Versprechen via Facebook erhält, diese Saison noch an der Weser zu bleiben, der kann nicht mehr tiefstapeln.

Was Geschäftsführer Frank Baumann auch nicht tut. Schon bei Amtsantritt im Mai 2016 war dem ehemaligen Kapitän der Meistermannschaft aus 2004, der 2009 stilecht mit dem DFB-Pokalsieg die aktive Karriere beendete, wichtig, „dass unser Anspruch nicht sein kann, den Klassenerhalt am letzten Spieltag zu feiern wie einen Champions-League-Sieg“.

Der 42-jährige Manager selbst hat ein bisschen gebraucht, um sich in dem Metier freizuschwimmen, wobei der Ehrenspielführer intern immer unumstritten war. Mittlerweile hat er auch seine Öffentlichkeitsarbeit verbessert und nach den langfristig glücklosen Trainer-Eigengewächsen Viktor Skripnik und Alexander Nouri mit Florian Kohfeldt ein echtes Ass aus dem Ärmel gezogen.

Der erst 35-jährige Fußballlehrer bringt alles für einen Topmann auf der Trainerbank mit: Kohfeldt ist eloquent und intelligent, einfühlsam und ehrgeizig. Mögen Aufsteiger wie Domenico Tedesco, Julian Nagelsmann und am Ende auch Niko Kovac stärker im Rampenlicht gestanden haben, brachte Kohfeldt mindestens genauso Bemerkenswertes zustande: Der ehemalige Torwart der Dritten Mannschaft übernahm Werder als sieglosen Abstiegskandidaten, der nach zehn Spieltagen erst drei Punkte aufwies. Am Ende belegten die Bremer mit 42 Zählern Platz elf, schafften in der Rückrundentabelle Rang fünf, punktgleich mit Leverkusen und Dortmund.

Kohfeldt brachte dem Team eine selten besichtigte Flexibilität bei, betonte wieder den offensiven Ansatz, der zu dem Verein gehört wie der Roland zum Marktplatz. Und wenn die Philosophie des Trainers zur DNA passt, ist es auch legitim, mit einem Europapokalplatz zu liebäugeln. Werder hat dank der Zugänge von Yuya Osako (Köln) und Martin Harnik (Hannover) vor allem in der Offensive zahlreiche Optionen. Im Mittelfeld soll Klaassen den nach Dortmund abgewanderten Thomas Delaney ersetzen.

Dauerhaft in der oberen Hälfte

Baumann spricht von einem „spannenden Kader“, warnt aber auch vor zu viel Euphorie. „Im Fußball ist es nicht einfach, Jahr für Jahr ein paar Plätze nach oben zu kommen“, sagt der Bremer Geschäftsführer. „Aber wir haben ja in unseren strategischen Zielen definiert, dass wir dauerhaft einen einstelligen Tabellenplatz anstreben wollen. Denn es ist einfach wichtig, als Verein Visionen zu haben.“ Zumal, wenn die Erinnerung an die glorreiche Vergangenheit so wach gehalten wird.

Unser Tipp: Platz neun