Ganz zum Schluss, kurz bevor sie in den Katakomben der Münchener Arena verschwanden, legte Jupp Heynckes den Arm um Louis van Gaal.

Was der eine Trainer dem anderen danach ins Ohr geflüstert hat, war nicht zu hören, aber es muss etwas Nettes gewesen sein, denn Louis van Gaal seufzte danach vernehmlich auf: „Na hoffentlich.”

Gute Wünsche der Art „Ihr kommt schon aus der Krise” oder „Du bleibst bestimmt noch lange im Amt” kann der Trainer des FC Bayern München gebrauchen in diesen Tagen, und wenn sie auch von seinem Vorgänger Heynckes kommen. Der steht mit Leverkusen auch nach dem Spiel in München an der Bundesliga-Spitze, also dort, wohin die Bayern unbedingt wollen, wohin sie in dieser Saison aber kaum kommen werden, wenn sie so weitermachen wie beim 1:1 gegen Bayer. Das Remis war wieder einmal zu wenig, und nette Worte von Münchenern sind rar geworden für Louis van Gaal.

Da wäre zum Beispiel Manager Uli Hoeneß, der im Laufe der Woche, nicht zum ersten Mal übrigens, Siege von seinem Trainer gefordert hatte. Nach dem gerechten Remis gegen Leverkusen stapfte Hoeneß früh mit bissigem Gesicht und rotem Kopf aus der Arena. „Schönen Abend”, warf er in die Runde, und man kann sicher sein: Uli Hoeneß wird keinen schönen Abend mehr gehabt haben.

Seit Wochen klagen Spieler und auch der Trainer darüber, dass Bayern kaum noch früh in Führung geht, um dann ein Spiel kontrollieren zu können. Gegen Leverkusen gab's das frühe Tor, nur mit der Kontrolle war's nicht weit her.

Nach acht Minuten leistete sich Daniel Schwaab im Leverkusener Aufbau einen Fehler, den auch die Krisen-Bayern 2009 durchaus noch bestrafen. Miroslav Klose, dem in vielen anderen Szenen – wie Thomas Müller, wie Bastian Schweinsteiger – die Verunsicherung anzumerken war, holte sich den Ball von Schwaab und brachte ihn trotz eines Foulspiels gegen ihn zu Mario Gomez. Der andere Nationalstürmer im Bayern-Angriff, auch von Bestform und Glauben an die eigene Stärke ein gutes Stück entfernt, machte diesmal alles richtig: Mit dem linken Außenrist zog Gomez den Ball ins rechte Eck – 1:0.

Aber es stimmt eben längst nicht alles bei Louis van Gaals FC Bayern, jedenfalls nicht so, wie man es von einer Mannschaft, die auch ohne Franck Ribery, Luca Toni und Arjen Robben bestens besetzt ist, erwarten sollte. Klose, der, bezeichnend genug, erst durch eine Muskelverhärtung Hamit Altintops beim Aufwärmen in die Mannschaft rutschte, hätte Bayer noch einmal in Verlegenheit bringen können, seinen Pass auf Gomez fing Sami Hyypiä im letzten Moment ab.

Danach war's mit der Herrlichkeit des FC Bayern auch schon wieder vorbei. Leverkusen spielte schneller, direkter, wirkte leichtfüßiger – und schlug nur fünf Minuten nach der Bayern-Führung eiskalt zurück: Klose verliert den Ball im Angriff, Arturo Vidal schickt Stefan Kießling, der tanzt um den zur Säule erstarrten Daniel van Buyten herum – 1:1. Das ging so schnell, dass man kaum mit dem Schauen nachkam. Und es wirkte im Gegensatz zu den Gastgebern, für die im Moment jedes Spiel harte Arbeit bedeutet, spielerisch leicht und voller Glauben an das eigene Können.

Bayern bemüht, aber verkrampft, Leverkusen unbeschwert. Nichts war davon zu spüren, dass Bayer zuletzt 19 Jahre lang in München nicht gewinnen konnte. Kießling und Eren Derdiyok tanzten nach dem Ausgleich noch einmal die Bayern-Abwehr aus, Kießling traf, stand aber im Abseits (22.). Und zwei Minuten später rettete Bayern-Keeper Jörg Butt gegen den blonden Stürmer. Weil auch die Bayern noch eine dicke Chance hatten – der bisher vollkommen enttäuschende Anatoliy Tymoshchuk scheiterte mit einem kümmerlichen Schuss an Rene Adler - war's eine kurzweilige Halbzeit.

Aber überhaupt nicht das, was in München erwartet wird. Das änderte sich nach der Pause, wenn auch nur bedingt. Bayern wurde stärker, ackerte auch noch einen Hochkaräter heraus, den Mario Gomez kurz vor Schluss gegen den prächtig reagierenden Rene Adler vergab. Aber der Aufwand, den der Rekordmeister betreibt, steht in keinem Verhältnis zu den wenigen klaren Chancen.

Bayer ließ sich zwar das Heft aus der Hand nehmen, geriet aber nie ernsthaft in Gefahr zu verlieren – zu viele, zum Teil anfängerhafte Fehler durchziehen im Moment das Spiel der Bayern. Es fehlt an Ideen, an Selbstvertrauen. Bei den Stürmern, vor allem aber im Mittelfeld. „Man hat ja gesehen”, sagte Philipp Lahm, „das unser Spiel krankt.”

Anders gesehen waren es auch zwei Punkte zu wenig für Leverkusen: „Wir hätten den Sack früh zumachen können”, sagte Jupp Heynckes. Das zielte zwar nicht auf den Kollegen van Gaal, um den sich Heynckes ja ausgesprochen freundlich kümmerte. Aber deutlicher lässt sich kaum sagen, wie wenig vom Bayern-Nimbus übrig ist.