Essen. Bundestrainer Joachim Löw will Torhüter Manuel Neuer mit zur WM nehmen. Aber dem 32-Jährigen läuft nach langer Verletzungspause die Zeit davon.
Die Reaktion kam prompt und sie kam deutlich: Am Mittwochmorgen hatte der kicker das Saisonaus für Manuel Neuer vermeldet, der Torhüter des FC Bayern werde weder im abschließenden Bundesligaspiel gegen den VfB Stuttgart am Samstag (15.30 Uhr/Sky) noch im Pokalfinale eine Woche später gegen Eintracht Frankfurt zum Einsatz kommen. Unterfüttert wurde dies mit einem Zitat von Trainer Jupp Heynckes: „Manuel wird gegen Stuttgart nicht spielen – und auch im Pokalfinale nicht.“
Von Seeler bis Ballack: So bangten deutsche Fans
Für die deutschen Fußballfans begann das große Zittern. Wird Uwe Seeler rechtzeitig fit? Viel Zeit blieb nicht, zumal bei so einer schweren Verletzung. Im Bundesligaspiel bei Eintracht Frankfurt hatte sich der Hamburger im Februar 1965 einen Achillessehnenriss zugezogen. Es sah schlecht aus. Doch der Torjäger schaffte es und schoss die Nationalmannschaft in der Qualifikation zur WM in England. Der Rest ist Geschichte und mit einem Wort zu beschreiben: Wembley.
Uwe Seeler sollte nicht der letzte Nationalspieler bleiben, über den sich die deutschen Anhänger vor großen Turnieren den Kopf zerbrachen. Bei der WM 1986, wieder in Mexiko, waren es gleich zwei Sorgenkinder. Münchens Klaus Augenthaler hatte den Bremer Rudi Völler gefoult. Der Stürmer fiel ein halbes Jahr aus und drohte die Endrunde zu verpassen. Auch Karl-Heinz Rummenigge plagten wie schon bei der WM 1982 in Spanien Verletzungen. Der Kapitän war nicht fit, Trainer Franz Beckenbauer nahm ihn trotzdem mit.
Im Finale gegen Argentinien erzielte erst Rummenigge das 1:2, dann Völler das 2:2. Am Ende unterlag Deutschland mit 2:3, doch für Rummenigge war es „ein großes Finale“, das dem „gesamten deutschen Fußball ein neues Wertgefühl bringt“.
Um die „Wade der Nation“ von Michael Ballack bangten die Fans gleich zweimal. Vor der Heim-WM 2006 und zwei Jahre später vor dem Finale der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz. Beide Male schaffte es der Mittelfeldspieler noch und war Leistungsträger der Mannschaft. 2010 aber verpasste Ballack die WM – diesmal wegen einer Knöchelverletzung. (Dominik Loth)
Am Mittag aber dementierte München bereits – ebenfalls mit einem Heynckes-Zitat: „Das habe ich so nicht gesagt“, hieß es da. „Tatsache ist, dass Manuel am Samstag beim letzten Heimspiel gegen den VfB Stuttgart noch nicht im Kader stehen wird. Für das Pokalfinale ist die Entscheidung hingegen noch offen.“
Es war nur eine weitere Episode, die zeigt, wie schwer sich alle Beteiligten damit tun, Neuers Gesundheitszustand einzuschätzen – und wie aufgeregt jede Meldung dazu diskutiert wird.
Löw gibt am Dienstag das WM-Aufgebot bekannt
Denn am kommenden Dienstag, am 15. Mai, gibt Bundestrainer Joachim Löw im Dortmunder Fußballmuseum den 30 Mann starken vorläufigen Kader für die Weltmeisterschaft in Russland bekannt. Dann wird Neuer seit acht Monaten kein Fußballspiel mehr bestritten haben, seit er sich im Training zum dritten Mal den linken Mittelfuß gebrochen hatte.
Seitdem wird gerätselt über die Gesundheit des Torhüters, der bei der WM 2014 ein wesentlicher Faktor für den Titelgewinn war, der seit 2016 Kapitän der Nationalmannschaft ist. Wird er überhaupt rechtzeitig fit für das Turnier vom 14. Juni bis 15. Juli? Wird er noch einmal ein Spiel bestreiten können, bevor die WM beginnt? Und nimmt Löw seinen Kapitän trotzdem mit – oder hält er am zuletzt immer wieder betonten Leistungsprinzip fest, wonach die Form im Hier und Jetzt deutlich schwerer wiegt als Verdienste vergangener Tage? Dann führt kein Weg vorbei am formstarken Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona.
Noch aber halten die Verantwortlichen Neuer alle Türen offen. „Bei der Entscheidung“, sagt Teammanager Oliver Bierhoff am Mittwoch bei einer Veranstaltung in Hamburg, „wird das persönliche Gespräch mit Manuel sehr wichtig sein.“ Eine Frist setzt er nicht: „Es gibt keine Deadline, bis zu der er spielen muss.“
Eigentlich sollte Neuer am Samstag wieder im Tor stehen, im letzten Bundesligaspiel gegen Stuttgart. Doch daraus wird nichts, weil der Fuß erneut anschwoll und Neuer eine mehrtägige Pause einlegen musste. Am Dienstag immerhin stand er wieder auf dem Platz, absolvierte Teile des Mannschaftstrainings. Sehr gut habe das geklappt, heißt es aus seinem Umfeld, am Mittwoch habe sich der Torhüter sogar noch besser gefühlt.
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Aber die Zeit wird immer knapper, das weiß auch Neuer. „Ich denke nicht, dass es vorstellbar ist, dass ich ohne Spielpraxis in so ein Turnier gehe“, sagt er selbst. Aber: „Es sind ja noch ein paar Spiele.“ Denn Neuer hat nicht den 15. Mai im Kopf, nicht den 23. Mai, wenn das Trainingslager in Südtirol beginnt – sondern den 4. Juni: Dann muss Löw jene 20 Feldspieler und drei Torhüter festlegen, die er mit nach Russland nimmt. Zuvor, für das Trainingslager, plant Löw nach Informationen dieser Zeitung, vier Torhüter mitzunehmen – neben Neuer und ter Stegen wohl Bernd Leno und Kevin Trapp.
Drei Wochen Zeit hat Neuer also noch, seine Fitness unter Beweis zu stellen – viele Gelegenheiten aber nicht mehr: Vor der endgültigen Nominierung steht nur noch ein Testspiel gegen Österreich an.