Köln. Die deutsche Nationalmannschaft muss am Dienstag den wohl schwersten WM-Test bestreiten. Seit der EM 2016 ist Frankreich noch besser geworden.
Zur Schärfung der Sinne gefällt Joachim Löw dieses Bild, das er so gern mit Worten malt. Es zeigt die deutschen Fußballspieler, wie sie mit weltmeisterlichem Gold bekränzt über der Konkurrenz schweben. Aber dieses Bild, so wie es der Fußball-Bundestrainer sieht, hat nichts von ausgeruhter Souveränität, sondern eher etwas Bedrohliches. Deutschland sei als Sieger der WM 2014 die Mannschaft, die es zu schlagen gelte. „Alle wollen uns da herunterholen“, sagte Löw zuletzt. Die Jagd auf den Weltmeister empfindet er längst als eröffnet.
Um sich genau dafür zu wappnen, lässt Löw hoch anspruchsvoll simulieren. In Köln, in das die Nationalmannschaft am Sonntagmittag aus London einschwebte, findet am Dienstag (20.45 Uhr) der letzte Test des Vor-WM-Jahres statt. Gegner ist Frankreich. Jene Mannschaft, die der deutschen im Halbfinale 2016 bei der EM eine so schmerzhafte Niederlage zufügte. Jene Mannschaft, die seitdem noch einmal einen erstaunlichen Qualitätssprung gemacht hat. Jene Mannschaft, die aus Spielern besteht, die europaweit von den Klubs noch mehr gejagt werden als die des Weltmeisters.
Franzosen wechseln für unglaubliche Ablösesummen
Hinter dem Rekord-Transfer des brasilianischen Stars Neymar von Barcelona nach Paris (222 Millionen Euro Ablöse) waren blau-weiß-rote Talente an zwei von drei Wahnsinns-Wechseln des vergangenen Sommers beteiligt. Kylian Mbappé (18) ging für 180 Millionen Euro von der AS Monaco zu Paris Saint-Germain, Ousmane Dembélé (20/derzeit verletzt) wechselte für 135 Millionen Euro (inklusive sicherer Zusatzzahlungen) von Borussia Dortmund zum FC Barcelona. Im Jahr davor wurde Paul Pogba (24/derzeit verletzt), der für 105 Millionen Euro Ablöse von Juventus Turin zu Manchester United ging, zum bis dahin teuersten Transfer der Geschichte. Aktuelles Beispiel: Derzeit scheinen die Tage von Antoine Griezmann (26) bei Atletico Madrid gezählt. Seine festgeschriebene Ablösesumme beträgt ebenfalls 100 Millionen Euro. Interessenten schreckt das nicht ab.
Fußballer aus Frankreich lassen den Transfermarkt in beeindruckender Regelmäßigkeit verrückt spielen. Vermutlich auch das meinte Löw, als er vor einigen Wochen jene warnte, die Deutschland in Sachen Talententwicklung ein Alleinstellungsmerkmal attestieren. „Die, die immer behaupten, es gibt in Deutschland die allerbesten Talente überhaupt und es gibt nur in Deutschland Talente, sind fehl am Platz, weil es nicht stimmt.“ Das teuerste deutsche Talent heißt Leroy Sané und wechselte 2016 für im Vergleich recht bescheiden anmutende 50 Millionen Euro zu Manchester City. Die Franzosen bewegen in der Spitze deutlich mehr die Konten. Deshalb trifft am Dienstag der Weltmeister auf den Geldmeister.
Talente sind häufig zu Wechseln ins Ausland gezwungen
Aber die Umsätze zuletzt sind nicht zwingend ein Merkmal von unerreichbarer Qualität. Über die verfügen auch deutsche Stars wie Thomas Müller oder in den zurückliegenden Jahren Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger. Der Unterschied: Sie blieben beim FC Bayern München, dem Verein, der sie ausgebildet hatte, weil sie auch dort jenen Anspruch nicht aufgeben müssen, den jeder außerordentliche Fußballer hat. Und der lautet: eine realistische Chance zu haben, die Champions League zu gewinnen.
Französische Talente hatten es in dieser Hinsicht in der Heimat schwerer in den vergangenen Jahren. Der Spieler, der international etwas erreichen wollte, musste zu den europäischen Top-Klubs wechseln. Nun, da Paris Saint-Germain mit seinen katarischen Millionen nur so um sich wirft und seit diesem Sommer eine unglaubliche Mannschaft voller Stars zur Verfügung hat, könnte sich dies ändern. Auch wenn die französische Liga auch weiterhin nicht die Bedeutung haben wird wie die in Spanien, Italien, England und Deutschland.
Herausragende Arbeit in der Nachwuchsförderung
Überall dort werfen die Kaderplaner aber längst einen schwer interessierten Blick auf den französischen Spieler-Markt. Das Investment lohnt sich auch oft, bevor Talente zu Stars geworden sind. „Das liegt an der sehr guten Ausbildung dieser Talente und an der auffällig hohen Qualität in den Nachwuchszentren“, begründet Michael Zorc, Sportdirektor von Borussia Dortmund, die Klasse der französischen Spieler selbst in jungen Jahren.
Das nationale Nachwuchsleistungszentrum in Clairefontaine genießt europaweit nicht umsonst einen exzellenten Ruf. Und auch der deutsche Fußball will sich mit dem Bau einer DFB-Akademie eine fortschrittliche, zentralisierte Einheit verschaffen, um die Ausbildung eigener Talente noch zu verbessern. Damit der Weltmeister stets auch auch wieder Weltmeister werden kann.