Essen. . Schiedsrichter-Bosse ändern Regeln und informieren den DFB-Präsidenten nicht. Grindel will Pläne stoppen: Video-Assistent soll nicht Oberschiedsrichter werden.

Im Schnitt zweimal pro Spieltag müsse auf den Videobeweis zurückgegriffen werden, ergaben Testläufe des DFB im Laufe der Vorsaison. Nur bei klaren Fehlentscheidungen, die keinerlei Spielraum für Diskussionen lassen, sollte überhaupt auf technische Hilfsmittel zurückgegriffen werden. So die Vorgabe. Nach nicht einmal einem Drittel der Spielzeit straft die Realität die Prognosen Lügen.

Videobeweis häufiger als erwartet

Nicht zweimal pro Spieltag, sondern zweimal pro Spiel müssen Spieler, Trainer, Zuschauer und Unparteiische sich in Geduld üben, bis die Schiedsrichter vor den Bildschirmen in Köln ihre Entscheidung getroffen haben – mit steigender Tendenz. Denn klammheimlich haben die Schiedsrichter-Verantwortlichen Lutz Michael Fröhlich und Hellmut Krug den Spielraum der Männer vor den Bildschirmen in Köln ausgeweitet.

Der Video-Assistent soll nun nicht nur bei klaren Fehlern eingreifen, sondern bereits in „schwierigen Situationen“, in denen er „starke Zweifel“ an der Berechtigung einer Entscheidung habe.

Eine Kurskorrektur, die über den Kopf des DFB-Präsidenten hinweg vorgenommen wurde. Entsprechend sauer reagierte Reinhard Grindel und übte im NDR öffentlich Kritik an den Verantwortlichen. „Ich bin darüber nicht glücklich“, so der 56-Jährige, der eine Beförderung der Video-Assistenten zu Oberschiedsrichtern befürchtet. Der Schiedsrichter solle weiter „das Sagen“ haben, so Grindel.

Kritiker wie Christian Streich fordern sogar die Abschaffung des Videobeweises. Der störe „den Spielfluss“, sagt der Freiburger Trainer. Auch die Zuschauer in den Stadien fühlen sich nicht mitgenommen. „Ihr macht unser Spiel kaputt“, skandierten Fans von Borussia Dortmund vor Wochen. Dabei hatte ihr Team kurz zuvor vom Videobeweis profitiert, als dem BVB im Spiel gegen Köln ein Strafstoß zugesprochen worden war.

Stadionbesucher einbeziehen

Eine Reaktion, für die Johannes B. Kerner vollstes Verständnis hat. Beim Doppelpass auf Sport1 hat der bekannte TV-Moderator, noch verheiratet mit Deutschlands ehemals bester Hockey-Nationalspielerin Britta Becker, kürzlich die Debatte angefeuert: „Warum zeigt man die Szene nicht im Stadion und begründet die Entscheidung?“, wundert sich der 52-Jährige. Und man könnte es ja so machen wie beim Hockey oder in anderen Sportarten: Sobald ein Team meint, eine Entscheidung sei falsch, könnte jede Mannschaft in begrenzter Frequenz eine Überprüfung verlangen. Damit wäre der Schiedsrichter aus der Schusslinie.

In der Fußball-Bundesliga verschiebt sich die Kritik dagegen lediglich vom Feld- auf den Video-Schiedsrichter: Und je mehr der von seinem Veto-Recht Gebrauch macht, desto vehementer.

Videobeweis eine Erfolgsgeschichte?

Eine Kritik, die der Schiedsrichter-Boss Krug nicht nachvollziehen kann. „Erst schreit man jahrelang nach technischer Hilfe“, sagt der DFB-Projektleiter der Welt am Sonntag, „und nun wird so getan, als wäre alles viel schlimmer als zuvor. Das ist doch Unsinn.“

Der 61-Jährige betont, dass „diese Spielzeit ein Testlauf“ sei, und fordert „eine faire Chance“. Auf die Saison rechnet er mit „weit mehr als 50“ Korrekturen klarer Fehlentscheidungen. Nicht nur für Hellmut Krug eine Erfolgsgeschichte. Ein Zurück wird es eh nicht geben. Der Videobeweis bleibt, so oder so.