Frankfurt/Main. DFL-Geschäftsführer Seifert über das schwache Abschneiden deutscher Klubs im Europapokal in diesem Jahr: Mehr Akribie in der Jugendarbeit nötig.
Wie stark oder schwach ist die Bundesliga wirklich? Die Halbfinalspiele in der Champions League und in der Europa League finden diese Saison erstmals seit zwölf Jahren ohne deutsche Mannschaften statt. Bei einem Hintergrundgespräch mit ausgesuchten Sportjournalisten in Frankfurt/Main hat der Liga-Geschäftsführer Christian Seifert die Bundesliga-Klubs vor einem leichtfertigen Umgang mit der Saisonbilanz gewarnt.
„Die Saison, in der in den Europacup-Halbfinals keine deutsche Mannschaft mehr vorhanden ist, ist jetzt noch kein Drama“, so Seifert in seiner Zusammenfassung. „Aber wir sollten die Warnsignale lesen und entsprechend reagieren. Sowas sollte nicht drei und vier Jahre hintereinander passieren.“ Bei der internationalen Vermarktung von Bundesliga-Spielen ist die Deutsche Fußball-Liga (DFL) auf ein erfolgreiches Abschneiden im Europacup angewiesen.
„Das ist noch kein Drama. Das Abschneiden der Bundesliga in diesem Jahr ist immer noch besser als das der Engländer in drei der letzten fünf Jahre und das der Italiener in vier der letzten fünf Jahre“, so Seifert weiter. „Aber wir haben ein paar Signale, die man ernstnehmen muss.“ So habe allein Bayern München seit dem Finale 2013 gegen Borussia Dortmund in der Champions League das Halbfinale erreicht — und keine andere deutsche Mannschaft.
Ajax hat so viel Fernsehgeld erhalten wie der KSC
„Wir dürfen uns nichts vormachen: Das in der Regel gute Abschneiden der Bayern sollte kein Leistungsmaßstab sein für die Leistungsfähigkeit der Bundesliga“, stellt der DFL-Geschäftsführer fest. „Unser Blick sollte über die Landesgrenzen gehen, damit wir uns die richtigen Fragen stellen.“ So blieb nicht verborgen, dass Ajax Amsterdam, das im Viertelfinale der Europa League Schalke 04 aus dem Wettbewerb geworfen hat, mit einer besseren Jugendmannschaft erfolgreich spielt.
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„Um eine Größenordnung zu geben: Ajax Amsterdam wird diese Saison so viel Fernsehgeld erhalten wie der KSC — ungefähr acht Millionen“, so Seifert. Und trotzdem reichte es zum Weiterkommen gegen Schalke. Seifert: „Unser Abschneiden steht nicht immer in Relation zu den finanziellen Möglichkeiten.“ Er fordert deshalb die Bundesliga-Klubs auf, zu den, wie er sagt, „Primärtugenden zurückzukehren, die den deutschen Fußball groß gemacht haben“.
Ajax als Vorbild für die Bundesliga? Seifert wörtlich: „Wenn man viel Geld hat, neigt man vielleicht dazu, im Scouting nicht mehr ganz so akribisch zu sein. Vielleicht auch: Durchschnitt überzubezahlen. Das meine ich auch mit Blick auf die 2. Liga. Die macht 600 Millionen Euro Umsatz. 150 Millionen mehr als die Ehrendivision.“ Seine Folgerung: „Dadurch rücken Primärtugenden in den Hintergrund. Zum Beispiel eine gute und starke Nachwuchsausbildung.“
Abschneiden im Europapokal ein "Ausreißer"
Was ihm ebenfalls Sorgen bereitet: das Verletzungspech bei einigen Mannschaften. „Eine andere Frage, die man sich stellen muss: Wir haben eine Liga mit 18 Mannschaften, eine Winterpause und nur einen Pokalwettbwerb ohne Rückspiele — warum haben wir vergleichsweise
so viele Verletzte in vielen Klubs über die ganze Saison hinweg? Vielleicht sollten die Klubs zusammenarbeiten, um das abzustellen.“ Zum Beispiel mit einer gemeinsamen Datenbank.
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Ingesamt sieht er das Abschneiden im Europapokal dieses Jahr als „Ausreißer“. Die Klubs hätten durchaus ein Problembewusstsein. „Man braucht dazu nicht den Weckruf der DFL, um die Baustellen zu erkennen.“ Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass der FC Bayern in der Bundesliga den gleichen Punkteschnitt wie Chelsea in England und Real Madrid in Spanien hat. Aber nicht der Bayern-Verfolger RB Leipzig wie die jeweils Zweitplatzierten in diesen Ländern.
„Insofern ist es nicht so, dass die Bayern eine Übersaison spielen — dahinter fehlen Klubs, die ein paar Punkte mehr haben müssten“, so Seifert. „Wir müssen aber die Bundesliga immer über einen längeren Zeitpunkt betrachten. Da hat die Bundesliga eine gute Entwicklung gemacht und ist auf einem hohen Niveau. Wenn alle ihre Hausaufgaben machen, und da schließe ich die DFL ausdrücklich mit ein, dann wird diese gute Entwicklung weitergehen.“
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