Dublin. Eine Überraschung wäre es, wenn sich Irland gegen Frankreich in der WM-Qualifikation durchsetzt. Mit Taktik-Fuchs Trapattoni haben die Iren ein As im Ärmel. Stur verrichtet der Coach seinen Dienst, lässt sich von niemandem reinreden. Die große Liebe ist es allerdings noch nicht geworden.
Giovanni Trapattoni hatte schlechte Neuigkeiten für die irischen Reporter. „Ich bin weder Gott noch Sankt Patrick, ich bin ein Mensch“, teilte der 71-Jährige Giovanni Trappatoni mit einem verschmitzten Lächeln mit. Das Wunder, deutete er an, müssen seine „Boys in green” im Playoff-Hinspiel für die Qualifikation zur Fußball-WM gegen die Franzosen am heutigen Samstag schon alleine schaffen.
Der Croke Park wird mit 60 000 Zuschauern ausverkauft sein, Irland glaubt an seine Chance. Aber noch will sich niemand der Euphorie hingeben: seit der letzten Teilnahme an einem Turnier, der WM 2002, haben es die Iren regelmäßig geschafft, sich im entscheidenden Moment selbst ein Bein zu stellen.
Defensiv ausgerichteter Positionsfußball
Ob Trapattoni in der nächsten Woche zum Nationalheiligtum avanciert, hängt allein vom Endergebnis ab. Er hat die Elf mit defensiv ausgerichtetem Positionsfußball ungeschlagen durch die Qualifikationsspiele geführt. Gegen die Italiener verpasste man zwei Mal nur knapp einen Sieg, seit Ewigkeiten hat man keine derart gut organisierte, taktisch stringente Nationalmannschaft gesehen.
Den Iren imponiert auch die Sturheit, mit der „Trap“ seinen Dienst verrichtet. Der Routinier ignoriert konsequent einflussreiche Gurus wie den kauzigen Fernsehexperten Eamon Dunphy; die Aura der vielen internationalen Titel umgibt ihn wie ein Schutzschild. Seine Unnahbarkeit hat allerdings auch allzu große Gefühlsausbrüche der Iren ihm gegenüber verhindert. „Irland hat in gewisser Weise einen Lauf“, schreibt der Herald, „doch eine bedingungslose Liebe zwischen Trapattoni und den Massen hat das nicht hervorgerufen.” Der irische Independent bezeichnete den Defensivfanatiker als einen „Mann, der selbst Dublins Botanische Gärten asphaltieren würde”. Doch die Bedenken sind bei weitem nicht nur fußball-ästhetischer Natur.
Beobachtung per DVD
Trapattoni ist nach seinem Amtsantritt im Frühjahr 2008 weiter in seinem Heimatort Cusano Milanino außerhalb von Mailand wohnhaft geblieben. Anstatt sich die Spiele seiner in England und Schottland beschäftigten Schützlinge in den Stadien anzuschauen, lässt sich der ehemalige Bayern-Coach wöchentlich einen Packen DVDs in das Büro kommen, das er in der Kfz-Werkstatt seines Freundes Pasquale Piccoli im Nachbarsort Cinisello Balsamo unterhält.
„Trapattoni ist ein Unikat“, stöhnte ein Funktionär wenige Tage vor der Auslosung der Relegationsspiele, als niemand wusste, ob der Italiener mit nach Zürich reisen würde. Der Trainer blieb dem Zeremoniell letztlich fern, „aus Aberglaube“, wie er sagt. Sein Englisch ist nicht mehr ganz so unfreiwillig komisch wie zu Beginn seiner Amtszeit, als er in wilden einer Mischung aus drei Sprachen („England, Italien, Frances, Deutschland... the stark, the hart!“) über den internationalen Fußball dozierte.
"Am Samstag ist nur ein Ball auf dem Platz"
Missverständnisse kommen jedoch immer wieder auf. Im Sommer spielte er den Pressevertretern auf einer imaginären Violine vor – mutmaßlich ein Hinweis darauf, dass er nicht nur mit Schönspielerei geht. Genau wusste es niemand. „Am Samstag ist nur ein Ball auf dem Platz, nicht fünf“, sagt Trapattoni. Mit anderen Worten: Es ist viel möglich. Der Druck liegt ganz klar bei den Gegnern, die sich in der Person von Trainer Raymond Domenech das Leben wie gewohnt schwer genug machen. Der 57-Jährige bezeichnete Irland nach der Auslosung hochnäsig als „B-Team von England“. Diese Provokation will man sich in Dublin nicht gefallen lassen.
„Der Kommentar überrascht mich nicht“, konterte Kapitän Richard Dunne. „Die Franzosen kommen mit all diesen Weltklassespielern zu den Turnieren, haben aber diesen einen Mann als Trainer, der alles daran setzt, es zu vermasseln.“