Rimini/Serravalle. . San Marino erwartet die DFB-Auswahl zu einem ungleichen Kräftemessen. Seit 138 Partien hofft das Mini-Land auf einen Sieg – am Freitag wohl erneut vergeblich.

Aldo Simoncini ist überrascht. Und enttäuscht. Er wusste bis gerade eben nicht, dass Manuel Neuer nicht dabei sein wird. „Wirklich?“, fragt er, als wolle er sich vergewissern, dass er nicht dem Telefonstreich eines lokalen Radiosenders auf den Leim geht. Aber es ist, wie es ist: Neuer, der Torwart der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, hat seine Teilnahme am WM-Qualifikationsspiel am Freitagabend (20.45 Uhr/RTL), 11. November 2016, in Serravalle abgesagt. „Das ist schade“, meint Simoncini, Schlussmann von Gegner San Marino, „ich schätze ihn sehr. Ich wollte mein Trikot mit ihm tauschen.“

Trikot-Sammlung ist unvollendet

Von all seinen Berufskollegen, gegen die er Länderspiele bestritt, hat er sich dieses Souvenir besorgt. Das Textil des Welttorhüters Neuer wäre so etwas wie die Vervollkommnung seiner Sammlung gewesen. Nun muss er mit dem Dress von Marc-Andre ter Stegen Vorlieb nehmen, der im Tor stehen wird.

Dass Aldo Simoncini schon vor dem Anpfiff so unverhohlen seine Begeisterung für den Gegner preisgeben darf, liegt an den doch etwas ungleich verteilten Kräfteverhältnissen in diesem Spiel. San Marino wird diese Partie verlieren, das steht recht fest. Auf einen Pflichtspielsieg wartet San Marino bislang vergeblich, in 138 Partien schossen die wackeren Männer gerade 22 Tore, kassierten aber 591.

Ter Stegen, Gündogan und Gomez gesetzt

Hinter dem Profil von Joachim Löw breiten sich Adria und Himmel in hübschem Blau aus. Rimini hat der Bundestrainer zum Vorbereitungsort auf das Spiel auserkoren. Dort sitzt er in einem Saal, 1. Etage, breite Fensterfront, dahinter Strand. Schöne Aussichten. Gegen San Marino spielte die DFB-Elf schon vor genau zehn Jahren. Ergebnis: 13:0. „Da war jeder Schuss ein Treffer“, erinnert sich Löw, „aber das Ziel ist nicht, irgendwelche Rekorde zu brechen. Das Ziel ist ein klarer Sieg – und keine Arroganz zu zeigen, sondern Konzentration.“ Neben ter Stegen legte sich Löw auch fest, dass Mario Gomez und Ilkay Gündogan in der Startelf zu finden sein werden.

„Ich habe schonmal ein Tor gemacht, gegen Litauen. Das war die größte Emotion, die ich je erlebt habe“, sagt San Marinos Kapitän Matteo Vitaioli: „Gegen Deutschland zu treffen, wäre ein Traum.“ Mit seinem zweiten Länderspieltreffer stünde er auf Platz zwei der ewigen Torjägerliste des Landes. Ein Treffer gegen den Weltmeister würde für „die Opfer, die wir im Alltag bringen“ entschädigen, sagt er.

Profi ist kaum ein Nationalspieler, fünf, sechs Mal in der Woche trainieren sie. Nach der Arbeit. Der Stürmer Mattia Stefanelli ist Vermessungstechniker, Kapitän Matteo Favioli arbeitet in einer Keramikfabrik, der nicht mit ihm verwandte Verteidiger Fabio Favioli produziert Jeans. Als Fußballer produzieren sie Niederlagen. Und stets neue Hoffnung.

Der Staat zahlt das Gehalt

Die meisten spielen in der nationalen Liga, die den schönen Namen Campionato Dilettanti trägt. Nationalspieler zu sein, heißt in San Marino, ein Hobby zu haben, das einem das Tor zu einer Welt öffnet, zu der man eigentlich nicht gehört. Und wenn es das eigene Tor ist. Was soll’s? Sie zehren vom Erlebnis. Der Staat übernimmt das Gehalt der Profis, wenn sie mit der Nationalelf unterwegs sind.

Aldo Simoncini ist Systeminformatiker. Er macht sich bereit für einen Abend mit Problemen, die nicht beherrschbar sind, für die es kein Programm gibt. „Wir müssen immer leiden. Es ist nicht einfach zu wissen, dass du wahrscheinlich wieder viele Gegentore bekommen wirst“, sagt er, „aber am Ende ist es doch immer schön.“