Hamburg. Der Hamburger SV hat gegen den BVB mit 2:5 verloren. Der Abstieg droht. Was kann helfen? Durch den Verein muss ein Ruck gehen. Ein Kommentar.
Wenn man verrückt ist, und das sind sie gerne beim Hamburger SV, kann man dem 2:5 gegen Borussia Dortmund durchaus positive Seiten abgewinnen. Spontan fallen vier Punkte ein:
- Gegen den Vizemeister hat der HSV so viele Tore geschossen wie an den neun Spieltagen vorher zusammen.
- Nicolai Müller, voriges Jahr der beste HSV-Torschütze, gelangen endlich die ersten Saisontore. Es waren die ersten Tore unter dem neuen HSV-Trainer Gisdol.
- Die zweite Halbzeit gestaltete der HSV unentschieden gegen den Champions-League-Teilnehmer, nämlich 2:2.
- An zehn Spieltagen musste der HSV gegen acht Mannschaften der oberen Tabellenhälfte ran, das heißt: Irgendwann folgen vermeintlich schwächere Gegner.
Niemand würde sich in Hamburg wundern, wenn diese Argumente beim HSV tatsächlich genannt werden. Autosuggestion lindert die Schmerzen der Wahrheit enorm. Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Argumente sind Quatsch. Der Hamburger SV spielt und wirkt wie ein Absteiger. Die HSV-Fans, krisengeplagt und notorisch optimistisch, dass ihre Bundesliga-Uhr unendlich weitertickt, hingen vor dem 2:5 ein vielsagendes Plakat im Stadion auf: „Erste Liga: Keiner weiß warum“. Ja, erste Liga: Warum sollte der Hamburger SV drin bleiben? Sogar Tasmania Berlin, vor über 50 Jahre Sinnbild eines desaströsen Abstiegsszenarios, schaffte einen Saisonsieg an den ersten zehn Spieltagen — der HSV nicht.
Man kann darauf vertrauen, dass der HSV Siege gegen Mannschaft wie Mainz 05 und Darmstadt feiern könnte. Das Konjunktivprogramm des Hamburger SV hat Tradition: Irgendwie die Relegation schaffen, um gegen den Drittplatzierten der 2. Liga die Klasse zu halten. An den grundlegenden Problemen ändert das nichts. Hier folgen die Gegenargumente.
- Der Mannschaft fehlt eine Achse, die in einer zuverlässigen Abwehr beginnt und über einen Stabilisator im Mittelfeld („Sechser“) bis zu einer Anspielstation im Sturmzentrum reicht.
- Die Abwehrspieler Djourou und Spahic sind zu langsam. Cleber: nicht der Rede wert.
- Jung ist allen zentralen Anforderungen im Mittelfeld (zum Beispiel Übersicht, Ballverteilen, Raumdeckung) nicht gewachsen.
- Der Schlimmste von allen: Lasogga hat als Mittelstürmer den Wirkungskreis einer Telefonzelle, kein Ballgefühl und den Antritt eines Viertklässlers.
Welcher Klubvorstand, der die Branche auch nur ein bisschen kennt, kann mit einem solchen Grundgerüst in die Saison gehen? Das Konjunktivprogramm des Hamburger SV taugt nicht mehr: Beim HSV passieren zu viele Dinge, die selbst Außenstehende in den anderen Klubs als „amateurhaft“ abtun. Kaderplanung. Außendarstellung. Mannschaftsführung. Auswahl von Führungskräften. Nicht auf einem Feld kann der Verein punkten. Werden wir mal konkreter: Wie kann es passieren, dass die Namen von Kandidaten für den Posten des Sportdirektors (Hoogma oder Heldt) öffentlich bekannt und diskutiert werden? Wie kaputt ist dieser HSV eigentlich, dass die wichtigsten Personalien zum Gegenstand von Spekulationen werden können?
Durch den HSV müsste ein Ruck gehen. Aber wer übernimmt die Initiative? Bei Schalke 04 trommelte Sportvorstand Christian Heidel die gesamte Truppe zusammen, inklusive Zeugwart und Busfahrer, um die Wende nach dem Katastrophenstart einzuleiten. Dietmar Beiersdorfer traut man beim HSV die Rolle des Zampanos nicht zu. Er fühlt sich seinem Schweigegelübde verpflichtet. Beim Hamburger SV muss jetzt einer wie Horst Heldt her, der die Wintertransfers vorbereitet und umsetzt. Sonst verpasst der HSV, das Gründungsmitglied der Bundesliga. sogar die Relegation.
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